Der 13. Mai 2025 hat ein Kapitel geschrieben, das sich tief in die Geschichte des französischen Films eingraben wird. Gérard Depardieu, einst gefeiert als Ausnahmetalent und Symbol französischer Filmkunst, ist vom Pariser Strafgericht für zwei sexuelle Übergriffe verurteilt worden. Die Taten ereigneten sich im Jahr 2021 während der Dreharbeiten zum Film Les Volets Verts. Das Strafmaß: 18 Monate Haft auf Bewährung, ein zweijähriges Politikverbot und die Eintragung ins Strafregister für Sexualdelikte.
Ein Urteil, das kam wie ein Donnerschlag – und doch von vielen erwartet wurde.
Urteil im Rampenlicht
Der Zeitpunkt war fast symbolisch. Während in Cannes der rote Festival-Teppich ausgerollt wurde, fiel in Paris ein Urteil, das Frankreichs Filmszene erschütterte. Die Öffentlichkeit verfolgte das Verfahren mit wachem Auge, denn Depardieu ist nicht irgendwer. Er ist der Depardieu – eine schillernde Figur, ein wandelndes Denkmal, das nun gewaltig ins Wanken geraten ist.
Die beiden Klägerinnen, eine Dekorateurin (54) und eine Regieassistentin (34), hatten Depardieu obszöner Äußerungen und grenzüberschreitender Berührungen bezichtigt. Das Gericht folgte ihrer Darstellung, gestützt durch Beweise und Aussagen von Zeugen.
Kampf um Glaubwürdigkeit
Während die Klägerinnen durch ihre Anwältinnen sprachen, schwieg Depardieu – auch am Tag des Urteils. Er war, so hieß es, zu Dreharbeiten auf den Azoren. Sein Anwalt aber schoss scharf: Von „automatischer Verurteilung“ war die Rede, von einer Justiz, die den Angeklagten zum Feindbild mache. Man werde in Berufung gehen.
Doch der Richterspruch steht. Und mit ihm auch ein Signal: Niemand ist unangreifbar.
Worte, die Wunden öffnen
Für die beiden Frauen ging es nicht nur um Gerechtigkeit, sondern auch um das Ende eines seelischen Spießrutenlaufs. Die Justiz sprach von „sekundärer Viktimisierung“ – ein nüchterner Begriff für das, was Betroffene oft erleben: neue Schmerzen durch das Verfahren selbst.
Und so saßen da nicht nur zwei Klägerinnen im Gericht, sondern auch zwei Frauen, die der Öffentlichkeit ihre Wunden zeigten. Der Mut wurde anerkannt – juristisch wie gesellschaftlich.
Schatten auf einem leuchtenden Namen
Wer Gérard Depardieu sagt, denkt an Cyrano de Bergerac, an Jean de Florette, an Porthos, Obélix – an schier überlebensgroße Filmgestalten. Nun aber geht sein Name durch eine andere Presse: nicht in Feuilletons, sondern unter der Rubrik „Vermischtes – Justiz“.
Während Weggefährtinnen wie Catherine Deneuve oder Fanny Ardant öffentlich zu ihm hielten, blieben andere stumm oder distanziert. Die Gleichstellungsministerin Aurore Bergé machte es deutlich: Sie werde sich Depardieus nächsten Film nicht ansehen – aus Respekt vor den Betroffenen.
Ein Denkmal wackelt. Vielleicht stürzt es sogar.
Wird das Schule machen?
Die Auswirkungen dieses Urteils könnten weitreichend sein. Der Fall Depardieu steht sinnbildlich für ein neues Kapitel im französischen #MeToo-Diskurs. Lange war Frankreichs Kulturszene in dieser Hinsicht zögerlich. Doch jetzt? Jetzt könnte sich etwas verschieben.
In der Schwebe ist aktuell noch ein weiteres Verfahren gegen Depardieu – das wegen mutmaßlicher Vergewaltigung von Charlotte Arnould. Die Staatsanwaltschaft hat bereits die Überweisung an ein Schwurgericht beantragt. Ein Termin dafür steht aber noch nicht fest.
Ein neues Selbstverständnis?
Klar ist: Das Urteil gegen Gérard Depardieu hat nicht nur eine juristische, sondern auch eine kulturelle Bedeutung. Es zeigt, dass Macht und Ruhm keine Freikarte für Grenzüberschreitungen mehr sind. Es markiert vielleicht den Anfang eines wichtigen Wandels – oder wenigstens den Versuch, alte Muster zu durchbrechen.
Natürlich: Ein Urteil allein verändert nicht die Welt. Aber es kann ihr einen Schubs geben.
Und manchmal reicht genau das, damit wichtige Dinge ins Rollen zu kommen.
Von Andreas M. B.
Abonniere einfach den Newsletter unserer Chefredaktion!