Tag & Nacht


Weit entfernt von den weitgehend festgefahrenen Frontlinien führen Russland und die Ukraine zur Zeit einen erbitterten Parallelkrieg: Beide Seiten setzen auf Angriffe gegen die Energieinfrastruktur des jeweils anderen, in der Hoffnung, auf diesem Wege die militärische Pattsituation zu durchbrechen.

Dieser Aspekt des Konflikts trat in der vergangenen Woche stärker in den Vordergrund, als die USA und Europa neue Sanktionen gegen die russische Ölindustrie ankündigten – die Lebensader der Kriegsmaschinerie des Kremls. Die Ukraine wiederum setzt auf das, was sie als „Langstreckensanktionen“ bezeichnet: Drohnenangriffe, die bereits Dutzende russische Raffinerien beschädigt haben, in denen Rohöl zu Treibstoff verarbeitet wird.

Russland hingegen nimmt erneut gezielt die ukrainische Strom- und Gasversorgung ins Visier. In einer verheerenden Angriffskampagne will Moskau die ukrainische Wirtschaft schwächen und die Moral der Bevölkerung untergraben – rechtzeitig vor Beginn des Winters.

Ob eine der beiden Seiten in absehbarer Zeit nachgeben wird, ist unklar. Doch laut Analysten betrachten beide Lager die Energieangriffe als strategisches Druckmittel in einem Krieg, der nun schon fast vier Jahre andauert.


Eskalation im Winter

Die russischen Streitkräfte erzielen Geländegewinne – wenn auch nur langsam und unter hohen Verlusten – und dürften weiterhin Druck auf dem Schlachtfeld ausüben. Doch mit dem nahenden Winter, der Bodenkämpfe durch fehlende Vegetation und extreme Kälte erschwert, wird die Energiefront voraussichtlich zur aktivsten Konfliktzone der kommenden Monate.

Frühere Sanktionen zielten darauf ab, Moskau seine wirtschaftliche Lebensader zu entziehen – eine Energiebranche, die dem Staat täglich hunderte Millionen Dollar einbringt. Die G7-Staaten hatten 2022 einen Preisdeckel für russisches Öl verhängt. Russland konnte diesen Schritt weitgehend abfedern, indem es Exporte nach China und Indien umleitete.

Doch Präsident Trumps neueste Sanktionen gehen über frühere Maßnahmen hinaus. Durch die Aufnahme der russischen Ölkonzerne Lukoil und Rosneft auf die schwarze Liste droht nun weltweit jedem Unternehmen eine Bestrafung, das mit diesen Firmen Geschäfte macht. Die Hoffnung ist, dass dies zentrale Käufer wie Indien dazu bewegen wird, ihre Importe zurückzufahren.

Ohne diese Einnahmen könnte es für Russland schwieriger werden, verlorenes Kriegsmaterial zu ersetzen und hohe Entlohnungen an die Rekruten der Armee zu zahlen.

Ein Anzeichen für die zunehmenden wirtschaftlichen Belastungen: Erstmals seit Beginn des Krieges wird erwartet, dass die russischen Militärausgaben im kommenden Jahr zurückgehen werden.

Präsident Wladimir Putin hat eingeräumt, dass die Sanktionen der Wirtschaft schaden werden, zugleich aber betont, dass sie die strategische Haltung des Kremls nicht beeinflussen würden. Trump hingegen äußerte die Vermutung, dass Putin in sechs Monaten anders denken könnte – sobald die Sanktionen ihre volle Wirkung entfalten.


Ukrainische Drohnen gegen russische Raffinerien

Neben der wirtschaftlichen Kriegsführung setzt die Ukraine zunehmend auf Langstreckenangriffe gegen russische Raffinerien. Nach Einschätzung eines Analysten waren bis zum vergangenen Monat etwa 20 Prozent der russischen Raffineriekapazität zerstört oder beschädigt. Dies hat in mehreren Regionen zu ernsthaften Benzinknappheiten geführt, die Ukraine versucht auf dieses Weise, den Krieg ins alltägliche Leben der russischen Bevölkerung zu tragen.


Moskau setzt auf Kälte zur Demoralisierung

Während die Ukraine und ihre Verbündeten Russland im Energiesektor unter Druck setzen, intensiviert Moskau seinerseits die Angriffe auf die ukrainische Energieinfrastruktur. Das Ziel, so Experten, ist es, viele Menschen im Dunkeln und in der Kälte sitzen zu lassen – um so die Moral zu schwächen und wirtschaftliche Aktivitäten zu behindern.

In diesem Monat begann die Ukraine mit landesweiten Notabschaltungen, um auf Stromausfälle zu reagieren, die durch Angriffe auf Kraftwerke und Umspannwerke verursacht wurden.

Russische Angriffe auf das ukrainische Stromnetz sind nicht neu – insbesondere zu Beginn des Winters, wenn die Nachfrage nach Elektrizität besonders hoch ist. Über die Jahre hinweg hat sich die Bevölkerung angepasst, indem sie sich mit kleinen Generatoren und Batterien über Wasser hält.

Doch in diesem Jahr hat Russland seine Kampagne ausgeweitet und greift verstärkt die ukrainische Gasinfrastruktur an – das Rückgrat vieler Heizsysteme des Landes. Nach Angaben eines europäischen Beamten haben jüngste Angriffe etwa 60 Prozent der ukrainischen Gaskapazitäten lahmgelegt. Zudem wurden mehrere Verdichterstationen beschädigt, die für den Gastransport durch Pipelines erforderlich sind.

Mehrere Städte haben daraufhin den Beginn der zentralen Heizsaison in Wohnhäusern verzögert, um mit dem Gasmangel umzugehen. Die Sorge wächst, dass zahlreiche Haushalte diesen Winter nicht ausreichend beheizt werden können – in einem Land, in dem Minusgrade über Wochen hinweg anhalten können.


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Autor: P. Tiko

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