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Zwei Tage vor einem mit Spannung erwarteten Urteilsspruch in einem der brisantesten politischen Justizverfahren Frankreichs ist Ziad Takieddine in Beirut gestorben. Der 75-jährige Geschäftsmann galt als Schlüsselfigur in der sogenannten Libyen-Affäre rund um den früheren Präsidenten Nicolas Sarkozy. Sein Tod beendet nicht nur eine bewegte Biografie zwischen Macht und Skandal – er wirft auch neue Fragen über das politische Erbe eines der grössten Korruptionsverfahren der Fünften Republik auf.


Ein Leben im Schatten der Macht

Ziad Takieddine, geboren 1950 im Libanon, war ein Mann mit vielen Gesichtern. Öffentlich wurde er vor allem als Mittelsmann in Rüstungsgeschäften bekannt, operierend zwischen Paris, Tripolis und dem Golf. Im Hintergrund bewegte er sich an der Schnittstelle zwischen Politik, Wirtschaft und Geheimdiensten – dort, wo Legitimes und Illegitimes oft verschwimmen.

Sein Name tauchte in zwei grossen Justiz-Affairen auf, die die französische Politik über Jahre beschäftigten: Zum einen in der sogenannten Karachi-Affäre, einem Geflecht aus Waffenlieferungen nach Pakistan und mutmasslich illegalen Parteispenden. Zum anderen – und weit folgenreicher – in der Affäre um mutmassliche libysche Finanzhilfen für Nicolas Sarkozys Präsidentschaftswahlkampf 2007.

Takieddine behauptete über Jahre hinweg, Millionenbeträge in bar aus Libyen nach Frankreich gebracht zu haben – angeblich im Auftrag von Muammar al-Gaddafi, übergeben an Mitglieder von Sarkozys Umfeld. Seine Aussagen waren wechselhaft, widersprüchlich und wurden teilweise widerrufen. Doch sie blieben ein mediales und symbolisches Gravitationszentrum der Affäre.

Nach seiner Verurteilung in der Karachi-Affäre entzog sich Takieddine 2020 der französischen Justiz und setzte sich in den Libanon ab, der seine Staatsbürger grundsätzlich nicht ausliefert. In Beirut verbrachte er seine letzten Jahre, unterbrochen von Medienauftritten, Dementis und Interviews, die neue Dynamik in laufende Verfahren brachten.


Eine Leerstelle im Verfahren

Der Tod Takieddines fällt mit bemerkenswerter Präzision in einen heiklen Moment der französischen Justizgeschichte: Zwei Tage vor dem erwarteten Urteil im Libyen-Verfahren endet sein Leben – und damit sein juristischer Status als Angeklagter. Die strafrechtlichen Verfahren gegen ihn werden eingestellt. Doch das Verfahren gegen andere, prominente Beschuldigte – darunter Nicolas Sarkozy – geht weiter.

Juristisch ändert sich durch den Tod wenig. Takieddine war im Prozess nicht persönlich erschienen. Seine Aussagen liegen längst in Aktenform vor, ergänzt durch weitere Zeugenaussagen, Dokumente und Indizien. Dennoch bedeutet sein Ableben einen Verlust für die Prozessdynamik. Denn Takieddine war nicht nur Belastungszeuge, sondern auch eine Projektionsfläche für die Verteidigung – als angeblich unglaubwürdiger Zeuge, dessen Aussagen man mit Verweis auf seine persönliche Agenda entkräften wollte.

Mit seinem Tod entfällt die Möglichkeit, ihn nochmals zu befragen, ihn zu konfrontieren oder seine Aussagen weiter juristisch zu erschüttern. Der „widersprüchliche Mittler“, wie ihn manche nannten, wird so zur endgültig stummen Figur – was der Verteidigung eher schadet als nützt.


Symbolisches Gewicht eines Schweigens

Auch wenn sein Ableben die Substanz des Verfahrens wohl kaum tangiert, ist die Wirkung seines Todes nicht zu unterschätzen. Die Affäre Sarkozy-Kadhafi ist nicht nur ein juristischer, sondern auch ein historischer Vorgang. Sie betrifft die Beziehungen Frankreichs zum Gaddafi-Regime, die Verquickung von Interessen, Geldflüssen und Geopolitik im Umfeld des Arabischen Frühlings – und letztlich die Frage, wie durchlässig die Institutionen der Fünften Republik für ausländischen Einfluss sind.

In diesem Kontext erhält Takieddines Tod die Aura einer dramatischen Schlussnote. Der Mittler, der behauptete, im Zentrum der geheimen Deals gestanden zu haben, wird nie mehr Gelegenheit haben, seine Geschichte abschliessend zu erzählen – oder zu widerrufen. Die französische Justiz muss nun ein Urteil fällen, das auf Spuren, Dokumenten und fragmentierten Aussagen beruht. Die zentrale Stimme, die alles miteinander verband, ist verstummt.

Was bleibt, ist eine Justiz-Affaire von grosser Tragweite – und ein Mann, dessen Leben mehr Fragen aufwarf, als es Antworten lieferte.

Autor: P. Tiko

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