Seit Beginn des Krieges in der Ukraine führt Russland nicht nur eine militärische, sondern auch eine mediale Offensive. Mit gefälschten Nachrichtenseiten, falschen Social-Media-Profilen und gezielten Desinformationskampagnen versucht der Kreml, die öffentliche Meinung in Europa und Afrika zu beeinflussen. Ein neuer Bericht des französischen Amts für digitale Sicherheitsüberwachung (Viginum) zeigt, wie weit diese Informationskriegsführung reicht – und welche Länder besonders betroffen sind.
Frankreich im Visier: Fake-News-Seiten und Angriffe auf Faktenchecker
Frankreich steht besonders im Fokus russischer Desinformationskampagnen, insbesondere seit Präsident Emmanuel Macron im Februar 2024 angedeutet hatte, dass ein möglicher Truppeneinsatz in der Ukraine nicht ausgeschlossen sei.
Bereits im Frühjahr 2022 startete das Netzwerk RRN (Reliable Recent News), auch als „Doppelgänger“-Kampagne bekannt, eine Welle von Fake-News-Seiten. Dabei wurden rund 100 Websites erstellt, die sich als renommierte Medien wie Le Monde, Washington Post oder Der Spiegel ausgaben. Über gesponserte Inhalte und gefälschte Accounts verbreiteten diese Portale prorussische Narrative.
Im September 2024 identifizierte das US-Justizministerium den Drahtzieher dieser Kampagne: Sergei Kirijenko, stellvertretender Leiter der russischen Präsidialverwaltung. Die Umsetzung erfolgte über die Unternehmen Social Design Agency und Struktura sowie die Organisation Ano Dialog.
Parallel dazu richtete Russland seine Angriffe auf die Community der Faktenprüfer. Seit September 2023 wurden sie durch die „Matrjoschka“-Operation mit manipulierten Bildern, gefälschten Nachrichten und bearbeiteten Screenshots überschwemmt – mit dem Ziel, ihre Glaubwürdigkeit zu untergraben.
Besonders aufsehenerregend war der Skandal um antisemitische Graffiti in Paris im Oktober 2023. Kurz nach dem Angriff der Hamas auf Israel tauchten in der französischen Hauptstadt Davidsterne auf Hausfassaden auf – eine bewusste Provokation, die Unruhe in der Gesellschaft stiften sollte. Die EU sanktionierte später einen moldauischen Geschäftsmann, der für diese Aktion verantwortlich gemacht wurde.
Alternative Medien als Tarnung: Neue Plattformen ersetzen RT und Sputnik
Nach dem Verbot von Russia Today (RT) und Sputnik in der EU im März 2022 verlegte sich der Kreml auf neue Kanäle.
Eine der auffälligsten Plattformen war Voice of Europe, die seit 2023 prorussische Propaganda verbreitete, bevor sie im Mai 2024 wegen mutmaßlicher Einflussnahme im EU-Parlament gesperrt wurde. Ihr Ziel: prorussische Politiker in Europa unterstützen und den Rückzug der EU-Hilfe für die Ukraine fördern. Laut tschechischen Behörden wurde das Medium von Wladimir Putins Verbündetem Viktor Medwedtschuk gesteuert.
Doch kaum war Voice of Europe offline, tauchte mit Euromore eine neue Plattform auf, diesmal mit Sitz in Brüssel. Dieser vermeintlich unabhängige Nachrichtendienst verbreitet in 48 Sprachen prorussische Inhalte – finanziert von Pravfond, einer Organisation mit Verbindungen zum russischen Militärgeheimdienst GRU.
Gleichzeitig setzte Moskau auf inszenierte Straßenproteste: Seit 2022 wurden in Paris, Den Haag, Brüssel und Madrid prorussische Demonstrationen organisiert – oft mit schlecht informierten Akteuren, die für wenig Geld engagiert wurden. Laut Viginum ging es weniger darum, echte Unterstützung für Russland zu generieren, sondern darum, durch die Masse an Aktionen ein Gefühl der öffentlichen Meinungsmacht zu erzeugen.
Gezielte Desinformation in der Ukraine: Separatistische Medien und Fake-Referenden
Auch in der Ukraine selbst läuft eine massive Medienoffensive.
Bereits im Juni 2022 startete der Kreml prorussische Fernsehsender in den besetzten Regionen Cherson und Saporischschja. Hinzu kamen zahlreiche neue Websites, die die ukrainische Regierung diffamierten und prorussische Separatisten unterstützten.
Ein besonders ausgeklügeltes Netzwerk ist Portal Kombat, das bereits 2013 mit der Annexion der Krim entstand und mittlerweile etwa 200 prorussische Nachrichtenseiten betreibt – nicht nur in der Ukraine, sondern auch in Europa, Afrika und Asien.
Parallel dazu diente die Plattform Mriya („Traum“ auf Ukrainisch) als Sammelstelle für russischsprachige Telegram-Kanäle und unterstützte eine verdeckte politische Agenda. Ihr Ziel: Wolodymyr Selenskyj zu stürzen und Fake-Referenden über die Autonomie bestimmter ukrainischer Regionen zu organisieren.
Russische Desinformation in Afrika: Frankreich als Feindbild
Mit dem Krieg in der Ukraine suchte Russland neue Verbündete – und fand sie in Afrika.
Seit Anfang 2023 intensivierte Moskau seine Einflussnahme auf dem Kontinent, insbesondere durch die Aktivitäten der Wagner-Söldner. Die Ermordung von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin stoppte diese Strategie nur kurz – der russische Geheimdienst SVR übernahm die Fäden.
Besonders perfide: eine Desinformationskampagne gegen Frankreich, die gezielt die afrikanischen Diaspora-Gemeinschaften in Europa ansprach.
Im April 2024 verbreiteten russische Agenten die Falschmeldung, dass Paris afrikanische Migranten heimlich für den Krieg in der Ukraine rekrutieren wolle. Bilder von vermeintlichen Protesten, in denen Afrikaner gegen „Macrons Mobilisierung“ demonstrierten, wurden massiv in sozialen Netzwerken gestreut.
Diese Kampagne setzte auf Fake-Profile, gekaufte Artikel in afrikanischen Medien und manipulierte Jobanzeigen. Ihr Ziel: Frankreichs Ansehen in seinen ehemaligen Kolonien weiter zu untergraben – insbesondere in Ländern wie der Zentralafrikanischen Republik und Burkina Faso, wo Russland inzwischen großen Einfluss hat.
Als Reaktion verhängte die EU Sanktionen gegen African Initiative, eine Agentur, die für russische Desinformation in Afrika verantwortlich gemacht wird. Zudem wurden zwei hochrangige russische Agenten – darunter Artem Kureev, ein führender GRU-Vertreter – auf die Sanktionsliste gesetzt.
Fazit: Die hybride Kriegsführung geht weiter
Die russische Desinformationskampagne zeigt, wie sehr Moskau neben militärischen Mitteln auch auf digitale Kriegsführung setzt. Doch trotz der massiven Bemühungen bleibt die Wirksamkeit vieler Operationen begrenzt – oft werden sie schnell enttarnt oder erreichen nur ein Nischenpublikum.
Dennoch ist die Gefahr real: Die anhaltenden Manipulationen zielen darauf ab, Misstrauen zu säen, Gesellschaften zu spalten und die westliche Unterstützung für die Ukraine zu schwächen.
Die Antwort der EU und ihrer Partner wird entscheidend sein – denn dieser Informationskrieg ist noch lange nicht vorbei.
Autor: C. Hatty
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