Tag & Nacht

Stellen Sie sich vor: Ihr Alltag wird durchbrochen, weil Ihr Wohnviertel plötzlich wie eine Szene aus einem Katastrophenfilm wirkt. Das ist kein Szenario aus einem Blockbuster, sondern die Realität, mit der die Menschen in der Bretagne – genauer gesagt in Ille-et-Vilaine – seit den letzten Tagen konfrontiert sind. Zwei aufeinanderfolgende Stürme, heftige Regenfälle und Böden, die kein Wasser mehr aufnehmen können, haben dazu geführt, dass ganze Straßen und Dörfer im Wasser versinken.

Das klingt erschreckend? Ist es auch.


Eine Region unter Wasser: Das Drama in Ille-et-Vilaine

Am Sonntag, den 26. Januar, verwandelte sich Rennes innerhalb weniger Stunden in eine Wasserlandschaft. 50 Liter Regen – das entspricht einem ganzen Monatsdurchschnitt – fielen innerhalb von 24 Stunden auf ohnehin schon völlig durchnässte Böden. Das Ergebnis? Überflutete Straßen, ein Kanal, der über seine Ufer tritt, und Menschen, die gezwungen sind, durch knietiefes Wasser zu waten, um Lebensmittel einzukaufen.

Ein Anwohner beschreibt die absurde Situation: „Ich habe keine Wahl. Entweder ich gehe durch die Fluten, oder ich bleibe zu Hause und kann nichts erledigen.“ In einem nahegelegenen Parkhaus sieht man jemanden mit einer Taschenlampe den Wasserstand prüfen – ein Bild, das fast symbolisch für die Ohnmacht vieler Menschen in solchen Momenten steht.

Noch dramatischer wurde es im Dorf Pont-Réan. Die Szenen dort? Wie aus einer anderen Welt. Menschen bewegen sich in Kanus durch die Straßen, während Rettungseinsätze vorbereitet werden. „Meine Mutter, die im ersten Stock dieses Gebäudes lebt, wird evakuiert“, erzählt eine Frau. Ihre Mutter ist völlig erschüttert: „Ich bin so etwas nicht gewohnt.“ Verständlich, denn laut der Präfektur ist eine solche Überschwemmung seit über 40 Jahren nicht mehr vorgekommen.


Mehr als nur Wetter – der Zusammenhang mit dem Klimawandel

Könnte das alles einfach nur Pech sein? Die Antwort darauf ist komplex, aber eine Tatsache lässt sich nicht ignorieren: Solche Ereignisse häufen sich. Und das nicht nur in der Bretagne, sondern überall auf der Welt. Wetterextreme, wie sie hier erlebt werden, tragen die Handschrift des Klimawandels.

Was passiert eigentlich, wenn sich die Erde aufheizt? Warme Luft kann mehr Feuchtigkeit speichern. Das führt dazu, dass Wolken sich mit einer beängstigenden Menge an Wasser aufladen – und dieses Wasser irgendwann plötzlich und heftig abregnet. Kommen dann noch gesättigte Böden und Flüsse hinzu, die ohnehin schon an ihren Kapazitätsgrenzen arbeiten, ergibt sich eine explosive Kombination. Genau das haben die Menschen in Ille-et-Vilaine erlebt.

Hinzu kommt: Die Bretagne ist historisch eine Region mit vielen Flüssen und Kanälen. Diese Wasserstraßen sind wunderschön – bis sie sich in reißende Flüsse verwandeln und Städte überfluten.


Eine „neue Normalität“? Nicht für die Betroffenen

Es ist einfach, von außen zu beobachten und zu sagen: „Das passiert halt ab und zu.“ Doch wie fühlt es sich für die Menschen vor Ort an? Für viele ist das Ereignis mehr als nur eine Naturkatastrophe – es ist ein Schock, ein Weckruf und, ja, auch ein Trauma. Die Bewohner von Pont-Réan, die jetzt in Kanus durch ihre Straßen paddeln, oder die Menschen in Rennes, die ihre Keller leerpumpen müssen, erleben hautnah, was es bedeutet, wenn die Natur plötzlich ihre Kräfte entfesselt.

Hier zeigt sich auch, wie ungleich solche Ereignisse die Menschen treffen. Während einige Bewohner vielleicht über die finanziellen Mittel verfügen, um Schäden schnell zu beheben oder vorübergehend anderswo unterzukommen, stehen andere buchstäblich im Wasser – ohne Aussicht auf schnelle Hilfe. Diese Ungleichheit wird durch den Klimawandel verstärkt und zeigt, dass soziale Gerechtigkeit ein unverzichtbarer Bestandteil jeder Anpassungsstrategie sein muss.


Was jetzt?

Die Überschwemmungen in der Bretagne werfen eine wichtige Frage auf: Wie können wir unsere Städte und Gemeinden widerstandsfähiger machen?

Eine Möglichkeit besteht darin, natürliche Schwämme zu schaffen – Grünflächen, die Wasser aufnehmen können, anstatt es in die Kanalisation zu leiten. Städte wie Kopenhagen und Rotterdam zeigen, dass solche Lösungen nicht nur machbar, sondern auch effektiv sind. Zudem braucht es ein besseres Frühwarnsystem, das Menschen rechtzeitig auf mögliche Überschwemmungen vorbereitet.

Doch auch hier stoßen wir an eine Grenze: Solche Maßnahmen sind teuer und erfordern politische Entschlossenheit. Und genau da hapert es oft. Was bringt es, wenn Wissenschaftler seit Jahren vor den Konsequenzen warnen, wenn am Ende doch keine ausreichenden Maßnahmen ergriffen werden?


Hoffnung trotz Flut: Was wir von der Bretagne lernen können

Trotz all der Dramatik gibt es auch positive Geschichten. Die Solidarität in Krisenzeiten ist beeindruckend. Nachbarn helfen einander, Straßen werden gemeinsam geräumt, und es gibt unzählige kleine Gesten, die zeigen: Die Menschen stehen zusammen.

Vielleicht ist genau das ein Punkt, an dem wir ansetzen können. Der Klimawandel stellt uns vor gigantische Herausforderungen – keine Frage. Aber er gibt uns auch die Chance, neu zu denken, Gemeinschaften zu stärken und Wege zu finden, wie wir in einer sich verändernden Welt bestehen können.

Und am Ende bleibt die Frage: Wollen wir wirklich warten, bis die nächste Flut kommt? Oder fangen wir endlich an, das Problem an der Wurzel zu packen?


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