Die Olympischen Spiele in Paris 2024, die eigentlich nur eine universelle Feier des Sports sein sollten, entpuppten sich als fruchtbarer Boden für politische Statements. Während manche hofften, dass die Politik während dieser zwei Wochen in den Hintergrund treten würde, bewiesen die Ereignisse das Gegenteil. Weit davon entfernt, die Debatten zum Schweigen zu bringen, wurden die Spiele zu einer Bühne für politische Äusserungen – sowohl auf den Wettkampfstätten als auch auf den Tribünen.
Ein eindrucksvolles Beispiel lieferte Manisha Talash, ein Mitglied des Flüchtlingsteams. Am Freitag, dem 9. August, bei der ersten Breaking-Nacht – einer neuen olympischen Disziplin – überraschte die afghanische Athletin die Welt. Am Ende ihrer Performance enthüllte sie einen blauen Umhang mit einer klaren Botschaft: „Free Afghan women“. Dieser kraftvolle Akt erinnert an den andauernden Kampf der Frauen in Afghanistan unter dem Taliban-Regime und zeigt, dass der Sport eine starke Plattform für politische Botschaften sein kann.
Ein weiterer Höhepunkt dieser Spiele fand während der Eröffnungszeremonie statt. Die algerische Delegation entschied sich, Blumen in die Seine zu werfen – eine Hommage an die algerischen Demonstranten, die 1961 während einer Kundgebung in genau diesem Fluss ertrunken waren. Dieses symbolische Ritual unterstreicht, wie tief verwurzelt die Geschichte in den heutigen politischen Gesten ist.
Politische Gesten hörten jedoch nicht bei den Athleten auf. Auch in den Zuschauerrängen mischte sich die Politik ein – sichtbar durch taiwanesische Flaggen, die während der Halbfinale im Badminton hochgehalten wurden. Diese Flaggen sind eigentlich vom IOC verboten, genauso wie die russischen und belarussischen. Aus der Sicht Pekings gehört Taiwan zu China, und genau das führte mehrmals zu Spannungen. Taiwans Fans berichteten von zahlreichen Vorfällen mit chinesischen Anhängern oder der Sicherheitskräfte, die rigoros vorgingen und Taschen konfiszierten, die taiwanesische Symbole trugen – während Palästina beispielsweise mit einer eigenen Delegation anwesend war.
Eine politisch geladene Eröffnungsfeier
Die Eröffnungsfeier selbst war eine Hommage an eine weltoffene, diverse und kreative Nation. Diese Botschaft kam bei 96% der Franzosen gut an – dennoch sorgte auch sie für Diskussionen. Die rechtsextreme Politikerin Marion Maréchal, Philippe de Villiers und sogar die katholische Kirche äußerten ihre Missbilligung. Auch international gab es kritische Stimmen, insbesondere in China und einigen afrikanischen Ländern. Hat dieses starke Signal eines offenen Frankreichs die Athleten ermutigt, politische Statements während der Spiele zu machen? Eine Frage, die man sich stellen kann.
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Auch die nationale Politik blieb während dieser Spiele präsent. Dies wurde besonders deutlich in der heftigen Reaktion von Anne Hidalgo vor zwei Tagen. Die Pariser Bürgermeisterin, die im Vorfeld der Spiele stark kritisiert wurde, schien im Interview mit der Zeitung Le Monde Genugtuung zu empfinden, als sie ein triumphierendes „Fuck les réacs“ verlauten ließ.
Der Élysée-Palast bemühte sich, Präsident Macron nicht zu sehr in den Vordergrund der Spiele zu rücken. Doch auch er wusste, wie wichtig diese Olympischen Spiele im Kontext der aktuellen politischen Lage sind. Ein Misserfolg hätte erhebliche Auswirkungen auf seine politische Zukunft haben können. Ein Berater des Präsidenten scherzte nach drei Tagen: „Hätte er bis zum Ende der Spiele gewartet, um das Parlament aufzulösen, wäre das Ergebnis vielleicht anders ausgefallen…“
Macron sagte noch bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2022: „Man sollte den Sport nicht politisieren.“ Doch diese Spiele beweisen erneut, dass Sport und Politik untrennbar miteinander verbunden sind – und das wohl immer bleiben werden.
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