Wer hätte gedacht, dass die Vorbereitung auf die Olympischen Spiele nicht nur sportliche Glanzleistungen mit sich bringt, sondern auch ein neues Leben in die Seine haucht? Seit Jahrzehnten kämpft Paris mit der Verschmutzung des Flusses, doch die bevorstehenden Olympischen Spiele 2024 haben den Prozess der Flussreinigung enorm beschleunigt – mit beeindruckenden Ergebnissen.
Von der Kloake zur Lebensader
Vor einigen Jahrzehnten war die Seine für die meisten Fische ein No-Go. Nur wenige Arten konnten in den stark verschmutzten Gewässern überleben. Doch was heute an den Ufern der Seine passiert, gleicht einem kleinen Wunder. „Wir haben heute mehrere Dutzend Fischarten in der Seine“, sagt Léo Lelièvre von der Maison de la Pêche et de la Nature in Paris. „In den 60er- und 70er-Jahren waren es gerade mal drei oder vier.“
Und das sieht man auch – oder eher hört man es von denjenigen, die es wissen müssen. Hubert, ein passionierter Angler, der seit 20 Jahren an den Ufern der Seine fischt, beschreibt seine letzten Erlebnisse: „Man kann hier wirklich Wunderfänge machen – 30 Fische in ein bis zwei Stunden sind keine Seltenheit mehr.“ Es scheint, als hätte die Natur auf die Reinigung des Flusses nur gewartet, um zurückzukehren und wieder aufzublühen.
Olympische Spiele als Katalysator der Veränderung
Warum ausgerechnet jetzt? Die Vorbereitungen für die Olympischen Spiele haben nicht nur Sportstätten hervorgebracht, sondern auch 1,5 Milliarden Euro in die Säuberung der Seine fließen lassen. Neben neuen Kläranlagen und erweiterten Speicherkapazitäten für Abwässer haben diese Investitionen den Sauerstoffgehalt des Wassers erhöht und die Schadstoffbelastung drastisch gesenkt. Zwischen 2010 und 2020 sank der Stickstoffgehalt im Wasser um 30 % – ein klares Zeichen dafür, dass die Maßnahmen wirken.
Und die Fische danken es. Besonders empfindliche Arten wie der Hecht, der seit einigen Jahren wieder in Paris gesichtet wird, sind der lebende Beweis für den Erfolg der Bemühungen. Ein kleiner Hecht von etwa 30 Zentimetern schwimmt in einem der Aquarien in der Maison de la Pêche et de la Nature – ein Symbol für die Widerstandskraft der Natur.
Mehr als nur ein Fluss – ein neuer Lebensraum
Aber es sind nicht nur die Fische, die von der Reinigung der Seine profitieren. Auch die Vogelwelt hat sich deutlich vergrößert. Der Eisvogel, einst selten an den Ufern der Seine zu sehen, ist heute ein häufiger Anblick. Die zunehmende Biodiversität zeigt, dass die Seine mehr ist als nur ein Fluss – sie wird wieder zu einem vitalen Lebensraum für viele Arten.
Doch bei all den Erfolgen ist klar: Es gibt noch viel zu tun. „Wir müssen weitermachen mit dem, was wir bereits tun“, betont Léo Lelièvre. Der Ausbau von Kläranlagen, die bessere Anbindung der Haushalte an das Abwassernetz und der Bau weiterer Reservoirs sind nur einige der Schritte, die notwendig sind, um den Fortschritt zu sichern und zu verstärken.
Ein langfristiges Erbe
Die Entgiftung der Seine ist mehr als ein kurzfristiges Projekt für die Olympischen Spiele. Es geht um ein Erbe, das Paris und seine Bewohner noch lange nach den Spielen genießen werden. Die Rückkehr der Artenvielfalt in die Seine ist ein Hoffnungsschimmer – ein Zeichen dafür, dass Mensch und Natur gemeinsam eine positive Veränderung bewirken können.
Vielleicht wirft dieser Erfolg sogar ein neues Licht auf die Frage: Was können wir noch erreichen, wenn wir uns wirklich ins Zeug legen? Der Wiederaufstieg der Seine zur Lebensader zeigt, dass selbst die schlimmsten Umweltprobleme nicht unüberwindbar sind – vorausgesetzt, der Wille zur Veränderung ist stark genug.
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