Tag & Nacht

Während Donald Trumps Rückkehr in die amerikanische Präsidentschaft offiziell gefeiert wird, zeigt sich die französische extreme Rechte in den USA aufgespalten. Die Partei Reconquête! unter Éric Zemmour nutzt die Gelegenheit, um ihre Nähe zu Trump öffentlich zu inszenieren, während der Rassemblement National (RN) eine weitaus diskretere Strategie verfolgt. Diese Zurückhaltung zeigt die Spannungen, die zwischen ideologischer Nähe und strategischer Vorsicht liegen.

Kein Platz in der ersten Reihe für Le Pen und Bardella

Weder Marine Le Pen noch Jordan Bardella, die Spitzen des RN, sind persönlich bei Trumps Amtseinführung in Washington anwesend. Stattdessen entsendet die Partei eine kleinere Delegation, darunter Louis Aliot, den Bürgermeister von Perpignan und engen Vertrauten von Le Pen. Laut offiziellen Aussagen habe der RN keine persönliche Einladung erhalten – ein Detail, das ihre Abwesenheit erklären soll. In Wahrheit scheint jedoch ein gewisser Abstand zum „unberechenbaren“ Trump bewusst gewählt worden zu sein.

Jordan Bardella machte auf CNews unmissverständlich klar: „Man hat den Eindruck, es ist wie in Walt Disney – ein Wettlauf, um ein Foto mit Donald Trump während seiner Rede zu bekommen.“ Er betonte, dass er zwar Respekt für Trump als großen politischen Führer habe, sich aber nicht gezwungen fühle, bei dessen Seite zu stehen.

Zwischen Ideologie und Imagepflege

Noch vor wenigen Jahren hätte Marine Le Pen eine solche Gelegenheit wohl mit offenen Armen ergriffen. Erinnerungen an ihr vergebliches Warten in der Trump Tower Lobby im Jahr 2017 kommen auf – damals hoffte sie vergeblich auf ein Treffen mit dem frisch gewählten Präsidenten. Doch seitdem hat sich das Bild geändert: Der Rassemblement National hat sich vom ehemaligen Front National in eine Partei gewandelt, die auf eine strategische Normalisierung setzt.

Trumps chaotischer Regierungsstil, die Attacke auf das Kapitol und sein unnachgiebiger „America First“-Kurs machen ihn zu einem schwierigen Partner. Insbesondere seine protektionistischen Maßnahmen, die potenziell auch französische Wirtschaftssektoren – wie die Weinindustrie – treffen könnten, verstärken die Vorsicht des RN.

Reconquête! geht in die Offensive

Im Gegensatz zum RN scheut sich die Partei Reconquête! nicht, ihre Trump-Begeisterung offen zu zeigen. Éric Zemmour und Marion Maréchal nutzen die Einladung zur Amtseinführung als Plattform, um ihre Nähe zu Trump und seiner Politik hervorzuheben. Auf Social Media wird die Anwesenheit stolz verkündet, während der RN in den Hintergrund tritt – eine symbolische Geste, die den Kontrast zwischen den beiden Parteien unterstreicht.

Diskrete Diplomatie hinter den Kulissen

Doch die Abwesenheit von Le Pen und Bardella bedeutet keineswegs, dass der RN Trump vollständig den Rücken kehrt. Hinter den Kulissen arbeiten die Delegierten des RN daran, Beziehungen zu Trumps Umfeld zu knüpfen. Treffen mit US-Senatoren und einflussreichen Persönlichkeiten aus der französisch-amerikanischen Wirtschaft stehen auf der Agenda. Ziel dieser Bemühungen ist es, langfristig die Grundlage für ein Treffen zwischen Marine Le Pen und Donald Trump zu schaffen. Ein solches Ereignis könnte Le Pen die internationale Anerkennung verschaffen, die sie für eine erneute Präsidentschaftskandidatur in Frankreich benötigt.

Eine kalkulierte Gratwanderung

Die Strategie des RN spiegelt die Herausforderung wider, einerseits die ideologische Nähe zu Trump zu wahren und andererseits die eigene Position in Frankreich nicht zu gefährden. Trumps Unberechenbarkeit und seine umstrittenen Maßnahmen sind potenzielle Stolpersteine für eine Partei, die sich bemüht, ihre politische Mitte zu erweitern und das Stigma des Extremismus abzulegen.

Ausblick: Nähe ohne Risiko?

Die Frage bleibt: Kann der RN diese heikle Balance zwischen Trumps populistischer Rhetorik und dem Bedürfnis nach politischer Normalisierung in Frankreich halten? Während Reconquête! in Trumps Schatten nach politischem Glanz sucht, bleibt der RN vorsichtig – ein Zeichen dafür, dass sich der politische Diskurs innerhalb der französischen extremen Rechten zunehmend diversifiziert.

Am Ende zeigt sich, dass der RN Trump weiterhin als Verbündeten sieht, doch die Bedingungen für eine offene Unterstützung sind komplexer geworden. Die kommenden Monate werden zeigen, ob diese diskrete Annäherung Früchte trägt – oder ob Reconquête! die Bühne der internationalen Populisten für sich allein beanspruchen kann.


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