Tag & Nacht




Ein Sonntagmorgen, der sich in das kollektive Gedächtnis der Insel einbrennen wird: Am 11. Mai 2025 kam es mitten im Zentrum von Fort-de-France, der Hauptstadt von Martinique, zu einer brutalen Schießerei, die drei Männer das Leben kostete. Vor einem Fast-Food-Restaurant an der Rue Ernest Deproge – unweit der belebten Uferpromenade – erschütterten Salven von Schüssen die morgendliche Ruhe.

Die Tat war nicht nur kaltblütig, sondern in ihrer Heftigkeit schockierend.

Zahlreiche Anwohner waren bereits auf den Beinen, joggten, frühstückten oder machten Besorgungen, als plötzlich laute Schüsse zu hören waren. Viele dachten zunächst an Feuerwerkskörper – doch es waren Schüsse aus einer automatischen Waffe. Als die Polizei kurz darauf eintraf, lagen drei Männer um die 30 regungslos am Boden. Die Täter, offenbar zwei maskierte Männer auf einem Motorroller, hatten 45 Schüsse abgegeben – eine regelrechte Hinrichtung.

Der Tatort: ein zentraler Platz, auf dem sich normalerweise Menschen sicher fühlen. Diese Illusion ist jetzt zerstört.

Die Stadt im Schockzustand

Didier Laguerre, Bürgermeister von Fort-de-France, zeigte sich tief erschüttert. „Ein dreifacher Mord – am hellen Morgen, mitten im Herzen unserer Stadt. Das ist ein Albtraum für alle“, sagte er sichtlich betroffen. Die Sorge unter der Bevölkerung ist groß – denn es war nicht die erste Gewalttat in den letzten Wochen.

Allein seit Jahresbeginn wurden auf Martinique bereits zwölf Menschen getötet, neun davon durch Schusswaffen. Die Liste der Gewalttaten wird länger, die Angst wächst. Und viele stellen sich die Frage: Wer hat hier eigentlich noch die Kontrolle?

Der Staat reagiert – endlich?

Noch am Montagmorgen fand eine Krisensitzung statt. Der Präfekt von Martinique, Étienne Desplanques, berief gemeinsam mit dem Bürgermeister und dem Staatsanwalt eine Dringlichkeitssitzung ein. Es sollen Sofortmaßnahmen zur öffentlichen Sicherheit umgesetzt werden.

Auch Innenminister Bruno Retailleau meldete sich zu Wort. In einem Beitrag auf X (ehemals Twitter) nannte er die Tat „einen weiteren unerträglichen Akt der Gewalt“ und forderte ein hartes Vorgehen gegen Drogenhandel und illegale Waffen. Worte, die man auf der Insel zwar begrüßt – aber auch mit Skepsis hört. Denn man hört sie nicht zum ersten Mal.

Die Lage ist brisant – nicht nur in Fort-de-France

Die blutige Bilanz der letzten Wochen ist erschreckend: Schießereien in Rivière-Pilote, Sainte-Anne, Le Marin – die Gewalt kennt auf der Insel keine geografischen Grenzen mehr. Hinter der Eskalation stehen meist rivalisierende Drogenbanden, die sich die Kontrolle über Routen, Viertel und Einflussbereiche streitig machen. Die Waffen, oft aus Südamerika und via Seeweg eingeschmuggelt, sind zahlreich – und tödlich.

Im Jahr 2024 wurden auf Martinique 24 Morde registriert, 17 davon durch Schusswaffen. Die Insel rangiert damit an der Spitze der gewaltgeprägten Regionen Frankreichs. Ein trauriger Rekord, den niemand mehr hinnehmen will.

Der Ruf nach entschlossenen Maßnahmen

Serge Letchimy, Präsident der Territorialverwaltung Martiniques, ließ nach der Tat verlauten: „Martinique befindet sich in einem Notstand der öffentlichen Sicherheit.“ Er kündigte an, mit dem Präfekten und allen gewählten Vertretern umgehend eine Sicherheitskonferenz einzuberufen.

Konkret gefordert wird unter anderem eine stärkere Polizeipräsenz, bessere Ausrüstung für die Einsatzkräfte, engere Zusammenarbeit der französischen und internationalen Sicherheitsbehörden – und vor allem: ein entschiedenes Vorgehen gegen das florierende Waffengeschäft.

Im vergangenen Jahr wurden 177 illegale Schusswaffen sichergestellt, in den ersten Monaten dieses Jahres bereits 51. Eine Zahl, die für sich spricht – und dennoch nur die Spitze des Eisbergs zeigt.

Und die Bevölkerung? Wartet – hofft – zittert.

Die Menschen auf Martinique haben genug von den Lippenbekenntnissen. Sie wollen sichtbare Veränderungen, sichere Straßen, geschützte Viertel. Die brutale Tat vom Sonntag war nicht nur ein dreifacher Mord – sie war ein lauter und grausamer Weckruf. Und der muss gehört werden.

Denn wenn morgens um sieben im Zentrum einer Stadt das Töten beginnt, dann ist es nicht fünf vor zwölf – dann ist es längst zu spät.

Von Daniel Ivers

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