Noch vor zehn Jahren galt Dunkerque als eine Stadt im Niedergang. Die Werften waren längst geschlossen, die Arbeitslosigkeit zählte zu den höchsten in Frankreich, und wer an Dunkerque dachte, sah graue Industrieanlagen und wirtschaftliche Perspektivlosigkeit. Doch heute ist die Region kaum wiederzuerkennen.
Was hat sich geändert? Der Klimawandel, der oft als Bedrohung für die Wirtschaft dargestellt wird, hat hier einen industriellen Aufschwung ausgelöst.
Vom Problemfall zum Hoffnungsträger
Dunkerque ist mit 16 Megatonnen CO₂-Emissionen pro Jahr für rund 20 % der industriellen Emissionen Frankreichs verantwortlich – ein Riese in Sachen Umweltbelastung. Doch genau das macht die Stadt zu einem strategischen Schlüsselpunkt: Wer Frankreichs CO₂-Ausstoß senken will, muss Dunkerque dekarbonisieren.
Und genau das passiert gerade. In den letzten zehn Jahren sind in der Region 24.000 neue Arbeitsplätze entstanden – ein unglaubliches Wachstum für ein Gebiet mit rund 250.000 Einwohnern. Mit den Jobs steigt auch die Nachfrage nach Wohnraum, neue Hotels öffnen, und die Stadt pulsiert wieder.
Ein industriepolitisches Experiment mit Vorbildcharakter
Hinter diesem Wandel steckt ein ambitionierter Plan: Das Programm REV3. Anstatt sich dem wirtschaftlichen Niedergang zu ergeben, haben lokale Politiker und Unternehmen die Initiative ergriffen. Ihr Ziel? Eine Neuausrichtung der Industrie auf nachhaltige Technologien – von erneuerbaren Energien über emissionsarme Gebäude bis hin zu umweltfreundlicher Mobilität und Landwirtschaft.
Ein kühnes Vorhaben für eine Region, die als einer der größten CO₂-Emittenten Frankreichs galt. Doch heute zeigt sich: Der Plan geht auf.
Ein neues industrielles Ökosystem entsteht
Die Transformation ist nicht nur eine abstrakte Strategie, sondern nimmt handfeste Formen an. In und um Dunkerque entstehen neue Fabriken und Produktionsanlagen, die nicht nur klimafreundlich, sondern auch wirtschaftlich vielversprechend sind.
Besonders hervorzuheben sind zwei Großprojekte:
- Neue EPR-Kernreaktoren in Gravelines – Sie sollen die Dekarbonisierung der Region mit CO₂-freier Energie unterstützen.
- Eine Gigafactory für Batterien – Das französische Unternehmen Vektor baut hier die längste Fabrik des Landes. Ihre Länge? 18-mal so lang wie Notre-Dame de Paris!
Dazu kommen Unternehmen, die sich auf Wasserstoff, Recycling und erneuerbare Energien spezialisiert haben. Es ist eine Art „Silicon Valley“ für grüne Technologien.
Industrie denkt vernetzt – mit handfesten Vorteilen
Besonders clever ist die Art und Weise, wie Unternehmen in Dunkerque zusammenarbeiten. Ein Beispiel:
Die Batterie-Fabrik von Vektor nutzt überschüssige Wärme der benachbarten Metallfabrik Ferroglobe – ein 14 Kilometer langer Rohrleitung verbindet die beiden Betriebe. Diese sogenannte „Abwärme“ wäre sonst ungenutzt verpufft. Stattdessen versorgt sie nun nicht nur die Produktion, sondern auch das Fernwärmenetz der Stadt.
Solche Synergieeffekte machen Dunkerque zu einem Modell für intelligente Industriepolitik: Statt isolierte Maßnahmen umzusetzen, wird ein ganzes Ökosystem aufgebaut, in dem verschiedene Akteure voneinander profitieren.
Ein Beispiel für ganz Europa?
Dunkerque zeigt, dass wirtschaftliche Erneuerung und Klimaschutz kein Widerspruch sein müssen. Während anderswo oft diskutiert wird, ob die grüne Transformation Arbeitsplätze kostet oder neue schafft, wird hier bereits bewiesen, dass beides gleichzeitig geht.
François Gemenne, Experte für Klimapolitik, bringt es auf den Punkt: „Dunkerque ist der Beweis, dass der Übergang zu einer klimafreundlichen Wirtschaft nicht nur möglich, sondern auch ein riesiges Potenzial für Wachstum und Wohlstand bietet.“
Vielleicht sollten europäische Politiker also öfter mal nach Dunkerque schauen – gerade in Zeiten, in denen Klimapolitik oft als wirtschaftliche Last diskutiert wird.
Ach ja, und noch ein kleiner Bonus: In Dunkerque sind die öffentlichen Verkehrsmittel kostenlos.
Autor: Catherine H.
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