Tag & Nacht




Als am 31. März 1889 in Paris ein schlanker, eisenschwarzer Turm in den Himmel ragte, ahnte kaum jemand, dass dieser Bau einmal zu den berühmtesten Wahrzeichen der Welt gehören würde. Der Eiffelturm – heute Inbegriff von Paris und französischer Eleganz – war bei seiner Einweihung keineswegs unumstritten. Und dennoch: Gerade seine radikale Andersartigkeit schrieb Geschichte.

Von Visionären und Skeptikern

Die Ursprünge des Eiffelturms liegen im patriotischen Geist der Zeit. Frankreich plante zum 100. Jahrestag der Französischen Revolution eine pompöse Weltausstellung. Der Staat lobte einen Wettbewerb für ein zentrales Monument aus – und Gustave Eiffel, ein erfolgreicher Bauunternehmer, schnappte sich die Gelegenheit. Gemeinsam mit seinen Ingenieuren Maurice Koechlin und Émile Nouguier sowie dem Architekten Stephen Sauvestre entwarf er eine gewagte Konstruktion: 300 Meter pures Eisen, in filigraner Gitterstruktur gen Himmel steigend.

Doch von Anfang an regte sich Widerstand. Eine Gruppe aus Künstlern und Intellektuellen wetterte gegen das Projekt. In einem heute legendären offenen Brief in der Zeitung Le Temps hieß es, der Turm sei ein „gigantischer schwarzer Schornstein“ – ein Schandfleck in der Pariser Silhouette. Der Schriftsteller Guy de Maupassant zählte zu den lautesten Kritikern. Die Ironie: Er speiste später regelmäßig im Turmrestaurant – weil man von dort den Turm nicht sehen musste.

Ein Bau auf der Überholspur

Trotz des Getöses ging es rasant voran. Am 28. Januar 1887 begannen die Bauarbeiten, exakt zwei Jahre, zwei Monate und fünf Tage später stand das Ding. Die Bauweise war revolutionär: 18.038 Einzelteile, miteinander vernietet, stiegen Stück für Stück in die Höhe – und das mit einer Präzision, die selbst heutige Ingenieure beeindruckt. Für damalige Verhältnisse ein logistisches Wunder.

Am 31. März 1889 war es soweit: Noch vor der eigentlichen Eröffnung der Pariser Weltausstellung bestieg Gustave Eiffel persönlich mit einer Delegation das fertige Bauwerk. Ohne Aufzug, versteht sich – die waren noch in Arbeit. Oben angekommen, hisste er eine riesige Trikolore, Kanonenschüsse knallten, und der Turm war offiziell eingeweiht.

Publikumsliebling im Höhenrausch

Kaum eröffnet, strömten die Massen. Fast 1,9 Millionen Besucher wagten sich während der Weltausstellung auf die luftige Höhe. Das war 1889 ein echtes Abenteuer. Die Aufzüge nahmen erst im Mai ihren Betrieb auf, davor hieß es: laufen, schwitzen, staunen. Der Andrang war so groß, dass der Turm sich schnell als finanzieller Erfolg erwies – ein Argument, das auch viele Kritiker verstummen ließ.

Was kostete der Spaß damals? Zwei Francs für die erste Etage, drei für die zweite, fünf für ganz oben – an Sonntagen gab’s Rabatt. Heute würden wir sagen: ein echtes Schnäppchen.

Technik trifft Ästhetik

Doch der Eiffelturm war mehr als ein Publikumsmagnet. Er war Symbol. Ein Monument der Moderne, das zeigte, was Maschinenkraft, Ingenieurskunst und industrielle Materialien möglich machten. Kein gotisches Ornament, keine barocke Verspieltheit – nur pure, ehrliche Konstruktion. Das wirkte auf viele verstörend. Aber es war auch ein Signal an die Welt: Frankreich kann Technik, und zwar besser als die meisten.

Mit seinen 300 Metern war der Eiffelturm bis 1930 das höchste Bauwerk der Welt. Erst das Chrysler Building in New York konnte ihn ablösen. Trotzdem blieb sein Einfluss ungebrochen: Er inspirierte Generationen von Architekten und Ingenieuren und stand Pate für zahllose Funktürme, Radiomasten und Wolkenkratzer.

Vom Provisorium zum Weltkulturerbe

Ursprünglich war der Turm nur auf 20 Jahre befristet – danach sollte er abgebaut werden. Doch es kam anders. Sein Nutzen als Funkmast rettete ihn vor dem Abriss. Und mit jeder neuen Generation wuchs seine symbolische Bedeutung.

Heute ist der Eiffelturm mehr als nur ein Denkmal. Er ist ein kollektives Gefühl – ein Ort für erste Küsse, Heiratsanträge, Kindheitsträume. Millionen pilgern jedes Jahr zu ihm, Instagram-Posts fluten täglich aus jedem Winkel der Erde. Manchmal wirkt er fast wie ein Star, der sich selbst überlebt hat – und trotzdem bleibt er authentisch.

Und heute?

Der Eiffelturm hat überlebt: zwei Weltkriege, technische Revolutionen, Terrorangst, Massentourismus – und bleibt dabei, was er immer war: ein Faszinosum aus Stahl und Seele. In Zeiten von Klimawandel, Nachhaltigkeitsdiskussionen und digitaler Entfremdung wirkt sein handfester Charme fast tröstlich. Kein Touchscreen, keine App – nur Eisen, Schrauben und Wind.

Wie konnte ein einst umstrittenes Bauwerk zum globalen Symbol für Liebe, Freiheit und französischen Chic werden?

Vielleicht, weil es manchmal genau das braucht: jemanden, der sich traut, gegen alle Widerstände etwas zu schaffen, das keiner versteht – bis es plötzlich alle lieben.

Neues E-Book bei Nachrichten.fr







Du möchtest immer die neuesten Nachrichten aus Frankreich?
Abonniere einfach den Newsletter unserer Chefredaktion!