Tag & Nacht




Ein persönlicher Kommentar zum 3. April 1973

Ich stelle mir diesen Moment manchmal ganz bildlich vor: Martin Cooper steht da, mitten in New York, hält ein Ding in der Hand, das aussieht wie eine Mischung aus Ziegelstein und Autotelefon – und wählt. Kein FaceTime, kein WLAN, kein WhatsApp-Ton. Nur ein Tastendruck und ein Signal durch die Luft. Und dann sagt er: „Joel, I’m calling you from a mobile phone – a real handheld portable cell phone.“

Ich bekomme jedes Mal Gänsehaut, wenn ich darüber nachdenke.

Denn dieser Satz war mehr als Technik. Es war ein Versprechen. Ein Versprechen auf Verbindung, auf Nähe – auf eine neue Welt. Cooper ahnte damals vielleicht nicht mal annähernd, was er da auslöste. Oder doch?

Ich war nicht dabei. Aber ich lebe mit den Folgen.

Das Handy, geboren an diesem Tag, ist längst kein Telefon mehr. Es ist Spiegel, Bühne, Fluchtweg, Klammer. Es begleitet mich morgens beim Aufstehen und schläft mit mir ein. Ich streiche mit dem Daumen über den Bildschirm, als wär’s ein Beruhigungstier. Ich streame, chatte, scrolle, kaufe, fühle – oder vergesse zu fühlen.

So viel Nähe, und doch so viel Distanz. So viel Kommunikation, aber oft so wenig echtes Gespräch. Und trotzdem – ich geb’s ehrlich zu – würde ich es nie wieder hergeben wollen.

Am 3. April 1973 hat mich niemand gefragt, ob ich bereit bin für diese Welt. Es hat einfach begonnen. Eine kleine Geste auf einem Bürgersteig in Manhattan – und zack: Jahrzehnte später starren wir alle in unsere Displays, als hinge unser Leben davon ab. Vielleicht tut es das auch längst.

Und doch.

Trotz aller Kritik, trotz Sucht, Reizüberflutung und digitalem Dauerstress: Ich bin Cooper dankbar. Ehrlich. Denn als mein Vater im Krankenhaus lag und ich zu weit weg war, um seine Hand zu halten – war es ein Videocall, der uns verbunden hat. Als meine beste Freundin in Kapstadt zum ersten Mal ihr Baby zeigte, saß ich in München im Bademantel auf einem Hotel-Sofa und hab Rotz und Wasser geheult. Weil ein kleiner Klotz in meiner Hand mir half, nicht abwesend zu sein.

Vielleicht war Coopers Anruf an seinen Rivalen das erste Beispiel für einen Triumph-Moment in der Tech-Geschichte – ein bisschen wie: „Schau her, was wir können.“ Und vielleicht war es gleichzeitig der Anfang vom Ende der stillen Minuten in unserem Leben.

Aber vielleicht – ganz vielleicht – war es auch der Anfang von etwas Großem. Von einem neuen Verständnis von Nähe. Von einer Möglichkeit, Verbindung zu schaffen, wo vorher nur Distanz war.

Klingt kitschig? Vielleicht. Aber hey – manchmal reicht eben ein einziger Anruf, um die Welt zu verändern.

Ein Kommentar von C. Hatty

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