Ein gefaktes Video, in dem ein angeblicher Putsch gegen Emmanuel Macron vermeldet wird, verbreitete sich Anfang Dezember 2025 rasend schnell auf Facebook. Innerhalb weniger Tage erreicht der Clip mehr als 13 Millionen Aufrufe – und sorgt nicht nur in Frankreich für Verwirrung, sondern auch international für diplomatische Irritationen. Die französische Regierung fordert umgehend die Löschung der offensichtlich gefälschten Inhalte. Doch Meta, der Mutterkonzern von Facebook, weigert sich. Ein Vorgang, der Fragen zur Rolle von Plattformen, den Grenzen der Regulierung und zur politischen Resilienz im digitalen Zeitalter aufwirft.
Ein „Journalistenbericht“ über einen erfundenen Militärputsch
Die Falschmeldung beginnt mit einem Video, das professionell produziert wirkt: Eine Frau steht in neutralem Studioambiente und spricht mit glaubwürdigem Tonfall über angebliche Unruhen in Frankreich. Präsident Macron sei durch einen Staatsstreich gestürzt worden, heißt es. Ein mysteriöser Oberst habe die Macht übernommen. Die Darstellung wird unterlegt mit dramatischen Bildern – offenbar aus früheren Demonstrationen zusammengeschnitten – sowie mit computergenerierter Sprache und einer KI-animierten Sprecherin.
Das Video ist ein Paradebeispiel für sogenannte Deepfakes, bei denen Künstliche Intelligenz genutzt wird, um täuschend echt wirkende Fiktionen zu erschaffen. Dass es sich um eine Fälschung handelt, ist bei näherem Hinsehen offenkundig – doch in den sozialen Medien entfaltet der Clip schnell Wirkung. Besonders in frankophonen Staaten Afrikas, wo französische Politik oft mit Skepsis beobachtet wird, findet das Video Verbreitung.
Das Schweigen von Meta
Trotz mehrfacher Interventionen vonseiten der französischen Behörden löscht Facebook die Desinformation nicht. Stattdessen versieht Meta das Video lediglich mit einem Hinweis, dass der Inhalt „potenziell manipuliert“ sei. Aus Sicht des Unternehmens reicht dieser Schritt aus: Der Clip verletze keine expliziten Richtlinien der Plattform, da er weder zu Gewalt aufrufe noch Hass schüre. Die Grenze zwischen Satire, Propaganda und gefährlicher Desinformation bleibt damit bewusst schwammig gezogen.
Der Fall offenbart ein grundlegendes Problem: Plattformen wie Facebook kontrollieren Inhalte nach eigenen Maßgaben, die häufig wirtschaftlich motiviert sind – und nicht primär dem öffentlichen Interesse dienen. Die Verantwortung für die Unterscheidung zwischen wahr und falsch wird auf die Nutzerinnen und Nutzer abgewälzt. In einem Umfeld, in dem Algorithmen virale Verbreitung belohnen, ist das ein gefährliches Spiel.
Die Reaktion aus dem Élysée
Präsident Emmanuel Macron reagierte ungewohnt scharf auf den Vorfall. In einer öffentlichen Rede in Marseille warf er Meta vor, durch Untätigkeit die demokratische Debattenkultur zu untergraben. Besonders empört zeigte er sich darüber, dass ein afrikanischer Amtskollege ihn persönlich kontaktierte, um sich nach der Lage in Paris zu erkundigen – so glaubwürdig wirkte der gefälschte Putschbericht offenbar.
Macron fordert seither eine strengere Regulierung der digitalen Plattformen. Ziel sei es, klare gesetzliche Verpflichtungen zur Entfernung „offenkundig falscher und destabilisierender Inhalte“ zu schaffen. Zudem sprach er sich für eine digitale Identitätspflicht aus: Nutzerinnen und Nutzer sollen nur noch mit verifizierter Identität auf Plattformen agieren dürfen – ein Vorschlag, der aus Sicht von Bürgerrechtlern hoch umstritten ist.
Rechtlicher Graubereich – politisches Vakuum
Die Weigerung Metas verweist auf eine strukturelle Leerstelle in der internationalen Internetregulierung. Zwar existieren in Frankreich wie auch auf EU-Ebene inzwischen Gesetze zur Bekämpfung von Desinformation – etwa der Digital Services Act –, doch deren Umsetzung stößt im grenzüberschreitenden Raum digitaler Plattformen schnell an ihre Grenzen. Die Unterscheidung zwischen freier Meinungsäußerung und gefährlicher Täuschung ist juristisch wie technisch anspruchsvoll.
Gleichzeitig zeigt sich: Die technische Fähigkeit zur Manipulation hat einen neuen Reifegrad erreicht. KI-generierte Inhalte können nicht nur täuschend echt wirken, sondern durch algorithmisch gestützte Verbreitung binnen Stunden Millionen Menschen erreichen – schneller als staatliche Stellen reagieren können.
Der Fall Frankreich ist daher exemplarisch für eine Entwicklung, die in Zukunft noch häufiger zu politischen Krisen führen könnte: Die Konfrontation zwischen nationaler Souveränität und globaler Plattformmacht.
Frankreich steht mit dieser Problematik nicht allein. Auch in anderen Ländern – etwa in den USA, Brasilien oder Indien – haben Deepfakes und manipulierte Inhalte bereits politische Wahlen, gesellschaftliche Debatten und das Vertrauen in Institutionen nachhaltig beeinflusst.
Dass ausgerechnet ein demokratisch gewählter Staatspräsident als Ziel einer fiktiven Putschmeldung herhalten muss, zeigt, wie fragil die politische Kommunikation geworden ist – und wie dringend rechtliche wie technische Antworten auf die neuen Herausforderungen der KI-Desinformation gefunden werden müssen.
Autor: Andreas M. Brucker
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