Der längste und tödlichste Krieg im über hundertjährigen jüdisch-palästinensischen Konflikt könnte bald zu Ende gehen. Israel und die Hamas erklärten, sie hätten sich auf die erste Phase des von Präsident Trump vorgelegten Waffenstillstandsplans geeinigt: Alle aus Israel entführten Geiseln sollen gegen palästinensische Gefangene ausgetauscht werden, israelische Truppen sollen sich zurückziehen, und humanitäre Hilfe wird in den Gazastreifen gelangen.
Der Durchbruch, den Trump gestern Nacht über soziale Medien verkündete, erfolgte genau zwei Jahre und einen Tag nach dem Terroranschlag der Hamas auf Israel, der die israelische Offensive gegen Gaza ausgelöst hatte. Es war mitten in der Nacht im Nahen Osten, doch Israelis und Palästinenser verfolgten gespannt die Nachrichten und reagierten mit großer Emotionalität. „Das war’s, es ist vorbei!“, sagte die Mutter einer Geisel im israelischen Fernsehen, während im Hintergrund Familienmitglieder jubelten. In Gaza erklärte ein Englischlehrer, er empfinde „Freude über das Ende des Krieges und der Tötungen – und Trauer über alles, was wir verloren haben“.
Die genauen Details des Abkommens blieben in der Nacht noch unklar. Doch die Freilassung der 20 Geiseln, die laut israelischen Angaben noch am Leben sind, wird bereits für Sonntag erwartet – für diesen Tag hat Trump auch eine mögliche Reise in die Region angekündigt.
Die Leichen von 28 weiteren Geiseln sollen in Etappen übergeben werden. Trumps Plan sieht im Gegenzug die Freilassung von 250 Palästinensern vor, die zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt worden waren, sowie von 1.700 während des Krieges inhaftierten Bewohnern Gazas.
Die Bilanz
Der Krieg, der mit dem tödlichsten Tag für Juden seit dem Holocaust begann – 1.200 Menschen wurden getötet und 250 von Hamas-Kämpfern entführt, die aus Gaza über die Grenze eindrangen – hat fast alle der zwei Millionen Bewohner des Gazastreifens aus ihren Häusern und Wohnungen vertrieben und einen Großteil der Infrastruktur zerstört. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza kamen mehr als 67.000 Palästinenser durch israelische Bomben und Schüsse ums Leben, fast ein Drittel davon unter 18 Jahre alt. Die Vereinten Nationen schätzen, dass 500.000 Menschen von akuter Hungersnot bedroht sind.
Israel hat unterdessen bedeutende militärische Erfolge gegen seine weiteren Gegner in der Region erzielt: gegen den Iran, die Hisbollah im Libanon und die Huthi-Rebellen im Jemen. Gleichzeitig ist das Land zunehmend isoliert – es sieht sich vor dem Internationalen Strafgerichtshof mit dem Vorwurf des Völkermords konfrontiert und wird Ziel akademischer, kultureller und wirtschaftlicher Boykotte. Weltweit nehmen antisemitische Übergriffe und Gewalttaten deutlich zu.
Die Hamas wiederum hat sowohl ihre militärische als auch ihre politische Führung und den Großteil ihres Waffenarsenals verloren. Trumps Plan fordert nun ihre vollständige Entwaffnung und ihren Abzug aus dem Gazastreifen. In den nächtlichen Stellungnahmen von Hamas, Israel, Trump und Katar zum Abkommen wurde auf die Waffen der Hamas jedoch nicht eingegangen; Israels Erklärung erwähnte zudem keinen vollständigen Truppenrückzug aus Gaza.
Der Durchbruch
„Ein großartiger Tag“ – So bezeichnete Trump das Abkommen in einem Beitrag auf seiner Plattform Truth Social. Er sprach von einem „historischen und beispiellosen Ereignis“. Israels Premierminister Benjamin Netanjahu nannte es „einen großartigen Tag für Israel“ und kündigte an, am Donnerstag sein Kabinett einberufen zu wollen, um den Plan offiziell zu billigen. Die Hamas forderte Trump und andere Vermittler auf, sicherzustellen, dass Israel das Abkommen vollständig umsetzt und es ihm nicht erlaubt werde, sich den Verabredungen „zu entziehen oder zu verzögern“.
Wer am Verhandlungstisch sitzt
Die Gespräche begannen am Montag – eine Woche, nachdem Trump seinen Plan zusammen mit Netanjahu im Weißen Haus vorgestellt hatte. Verhandlungsort ist Sharm-el-Scheich, ein ägyptischer Badeort am Roten Meer, der bereits mehrfach als Ort für Friedensgespräche zwischen Israel und Palästinensern diente. Am Mittwoch stießen Trumps Schwiegersohn Jared Kushner sowie sein Nahost-Beauftragter Steve Witkoff zu den Verhandlungen – zusammen mit Netanjahus Chefberater, dem katarischen Premierminister und dem ägyptischen Geheimdienstchef.
Die Familien der Geiseln
Vertreter der Geiselfamilien erklärten, das Abkommen habe unter ihren Mitgliedern „eine Mischung aus Aufregung, Hoffnung und Besorgnis“ ausgelöst. Sie äußerten „tief empfundene Dankbarkeit“ gegenüber Trump und warnte die israelische Regierung davor, dass „jede Verzögerung einen hohen Preis haben könnte“.
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P. Tiko
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