Tag & Nacht




Ein Tag wie jeder andere? Keineswegs. Der 16. Mai ist ein Datum, das in den Archiven der Weltgeschichte mehr als nur eine Fußnote hinterlässt. Revolutionen, Widerstand, technische Durchbrüche und persönliche Triumphe haben diesen Tag geformt – und unsere Gegenwart gleich mit.

Marie Antoinette heiratet den Thronfolger – und das Schicksal nimmt seinen Lauf

Am 16. Mai 1770 gab es in Versailles Prunk, Puder und Politik. Die 14-jährige Erzherzogin Marie Antoinette aus dem Haus Habsburg ehelichte den französischen Thronfolger Louis-Auguste – den späteren Ludwig XVI. Die Ehe galt als diplomatisches Meisterstück: Sie sollte die Achse Wien–Paris stabilisieren.

Doch was als großes politisches Bündnis begann, verwandelte sich in ein Sinnbild für Dekadenz, Entfremdung und schlussendlich den Zusammenbruch der Monarchie. Marie Antoinette, später verspottet als „Madame Defizit“, wurde während der Französischen Revolution zum Sündenbock der Nation. Ihr Leben – und ihr Tod unter der Guillotine – markiert den Anfang vom Ende des Ancien Régime.

Ein Ghetto brennt – und der Widerstand lebt

Am 16. Mai 1943 sprengte die SS die Große Synagoge von Warschau. Damit setzte sie ein brutales Zeichen: Der Aufstand im Warschauer Ghetto war niedergeschlagen. Die Jüdische Kampforganisation hatte sich wochenlang gegen die Deportation in die Vernichtungslager gestemmt. Bewaffnet mit wenigen Pistolen, Molotowcocktails und unerschütterlichem Willen.

Was bleibt? Ein Fanal der Menschlichkeit inmitten der Barbarei. Das Ghetto selbst wurde vollständig zerstört – aber der Mut seiner Bewohner lebt weiter in Erzählungen, Filmen und Schulbüchern. Und ja, auch in der Erinnerung jedes 16. Mai.

Kulturrevolution: Maos große Reinigung beginnt

1966, ebenfalls an einem 16. Mai, verschickte die Kommunistische Partei Chinas ein Dokument, das die Geschichte des Landes für Jahrzehnte prägen sollte: Die sogenannte „16.-Mai-Mitteilung“ gilt als offizieller Beginn der Kulturrevolution. Mao Zedong rief zur Säuberung der Partei auf – ein Euphemismus für politische Hexenjagd.

Millionen verloren ihre Existenz oder ihr Leben. Schulen wurden geschlossen, Bücher verbrannt, Denker gedemütigt. Die „Vier Alten“ – alte Ideen, Kultur, Sitten und Gebräuche – sollten verschwinden. Und mit ihnen ein Teil von Chinas kulturellem Erbe.

Die Folgen? In Teilen spürbar bis heute. Auch wenn sich das moderne China längst wirtschaftlich geöffnet hat – der Umgang mit der eigenen Vergangenheit bleibt ein heikles Thema.

Junko Tabei: Über den Wolken

Am 16. Mai 1975 gelang der Japanerin Junko Tabei ein historischer Gipfelsieg. Sie war die erste Frau, die den Mount Everest bezwang. Klingt romantisch – war es aber nicht. Auf dem Weg dorthin wurde sie von einer Lawine verschüttet, kämpfte mit Sauerstoffmangel und männlicher Herablassung. Trotzdem erreichte sie den Gipfel – mit einem Lächeln und ohne großes Aufheben.

Ihr Erfolg inspirierte weltweit Frauen, ihre eigenen Berge zu erklimmen – metaphorisch wie wortwörtlich.

Berlin unter Strom: Die elektrische Straßenbahn fährt vor

Zurück ins 19. Jahrhundert: Am 16. Mai 1881 startete in Berlin die weltweit erste elektrische Straßenbahn. Betrieben von Werner von Siemens, verband sie Halensee mit dem Bahnhof Charlottenburg. Klingt nach einem kurzen Hüpfer – war aber ein riesiger Sprung für den öffentlichen Verkehr.

Sie war leise, effizient, und – für die Zeit – ein technisches Wunder. Heute kaum vorstellbar, aber damals staunten die Leute mit offenen Mündern. Das Rad der Technik drehte sich damit wieder ein Stück schneller in Richtung Moderne.

Eine Heldin wird heilig – Jeanne d’Arc im Pantheon der Kirche

Im Jahr 1920 wurde Jeanne d’Arc von der katholischen Kirche heiliggesprochen – genau am 16. Mai. Über 500 Jahre nach ihrem Tod auf dem Scheiterhaufen in Rouen. Die junge Frau aus Domrémy, die gegen die Engländer kämpfte, Frankreich eine Stimme gab und dabei selbst kaum verstanden wurde, wurde zur Ikone.

Die Heiligsprechung war mehr als ein kirchlicher Akt. Sie gab einem zerrissenen Frankreich – gerade aus dem Ersten Weltkrieg taumelnd – ein Symbol nationaler Stärke zurück. Jeanne war plötzlich überall: auf Postkarten, Plaketten und in den Herzen der Gläubigen.

Politik im Wandel: Sarkozy wird Präsident

Nicht ganz so dramatisch, aber politisch relevant: Am 16. Mai 2007 zog Nicolas Sarkozy in den Élysée-Palast ein. Seine Wahl markierte eine Wende in der französischen Innen- wie Außenpolitik. Mehr Marktwirtschaft, härtere Migrationspolitik und ein aktiveres Europa – so lautete sein Programm.

Ob er gehalten hat, was er versprach, darüber streiten Historiker und Politologen bis heute. Aber klar ist: Der 16. Mai brachte auch hier eine neue Richtung für die französische Republik.

Und heute?

Was lernen wir aus diesem Sammelsurium an Ereignissen, das vom royalen Ja-Wort über Widerstand bis hin zu technischer Pionierarbeit reicht? Vielleicht dies: Kein Tag ist zu klein, um groß zu werden. Wer hätte gedacht, dass ein 16. Mai so viel Weltbedeutung in sich trägt?

Oder um es anders zu fragen: Was geschieht heute, das man in 100 Jahren erzählen wird?

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