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Die Abschaltung von Voice of America (VOA) markiert einen Wendepunkt in der amerikanischen Außen- und Medienpolitik. Erstmals seit 1942 wurde die traditionsreiche Rundfunkanstalt, die sich über Jahrzehnte hinweg als Sprachrohr der Freiheit etabliert hatte, durch eine Entscheidung aus Washington selbst zum Schweigen gebracht. Während totalitäre Regime von Hitler über Stalin bis Mao erfolglos versuchten, den Sender zu unterdrücken, ist es nun Donald Trump, der die einst so stolze Institution kaltstellt. Die Bedeutung dieser Entwicklung reicht weit über die USA hinaus und hat weltpolitische Konsequenzen.

Ein Leuchtturm der Wahrheit in dunklen Zeiten

Voice of America begann seine Sendetätigkeit während des Zweiten Weltkriegs, um über den Krieg und die Position der Vereinigten Staaten zu informieren. Von Beginn an verpflichtete sich der Sender einem journalistischen Ethos: „Die Nachrichten mögen gut oder schlecht für uns sein, aber wir werden Ihnen die Wahrheit sagen“, lautete das Versprechen in der ersten Sendung vom 1. Februar 1942. Diese Grundhaltung machte VOA zu einer Institution der freien Meinungsbildung, die in autoritär regierten Ländern einen entscheidenden Gegenpol zur staatlichen Propaganda bildete.

Während des Kalten Krieges galt der Sender als eine der wenigen Informationsquellen für Bürger hinter dem Eisernen Vorhang. Berichte über politische Repressionen, wirtschaftliche Missstände und Freiheitsbewegungen in Osteuropa fanden ihren Weg durch den Äther in die Sowjetunion und deren Satellitenstaaten. In China informierte VOA während des Tiananmen-Aufstands 1989 unzensiert über die Proteste, und auch in der Islamischen Republik Iran galt der Sender für viele Menschen als unverzichtbare Informationsquelle für die Bevölkerung.

Diese Funktion behielt VOA über Jahrzehnte hinweg bei. Zuletzt verzeichnete der Sender wöchentlich rund 360 Millionen Hörer und Zuschauer in nahezu 50 Sprachen. Gerade in Ländern, in denen unabhängige Medien unterdrückt werden, war er eine der wenigen verbliebenen vertrauenswürdigen Nachrichtenquellen.

Trumps Entscheidung und ihre globalen Folgen

Die Entscheidung, VOA sowie die Schwesterkanäle Radio Free Europe/Radio Liberty und Radio Free Asia faktisch stillzulegen, wurde von Donald Trump per Exekutivanordnung getroffen. Durch die Beurlaubung nahezu aller 1.300 Mitarbeiter und den Entzug der Finanzierung wurde der Sender abrupt aus dem internationalen Äther entfernt. Die Folgen sind weitreichend: In autokratisch regierten Ländern wie China, Russland und Iran, aber auch in autoritär geführten Staaten Afrikas und Lateinamerikas, hat der Westen eine gewichtige Stimme verloren.

In China wurde das Ende von VOA als Triumph gefeiert. Die parteinahe Zeitung Global Times kommentierte hämisch, dass die „sogenannte Bastion der Freiheit“ von ihrer eigenen Regierung „wie ein schmutziger Lappen weggeworfen“ wurde. Auch im Iran und in Russland wurde das Ende des US-Senders mit Genugtuung aufgenommen. Für die dortigen Machthaber bedeutet es, dass eine unbequeme Quelle der Wahrheit zum Schweigen gebracht wurde, wodurch die eigene Propaganda weniger herausgefordert wird.

Die Erosion der amerikanischen Soft Power

Voice of America war nicht nur ein Sender, sondern ein Symbol amerikanischer Soft Power. Während China und Russland Milliarden in ihre globalen Propagandaapparate investieren, um Einfluss in Afrika, Asien und Lateinamerika zu gewinnen, gab Washington mit dem Ende von VOA freiwillig ein wirksames Mittel der Einflussnahme auf. China betreibt mit CGTN, Xinhua und China Daily aggressive Medienoffensiven in Entwicklungsländern, während Iran mit seinem Netzwerk aus staatlich gelenkten Sendern seine eigene Sichtweise verbreitet. Nun fehlt eine gewichtige Stimme, die diesen Darstellungen mit Fakten und Perspektiven entgegentreten könnte.

In Afrika war VOA eine entscheidende Quelle für unabhängige Informationen, die sich gegen die Einflussnahme von Extremistengruppen wie al-Shabab oder Boko Haram richteten. Auch in Lateinamerika bot der Sender eine Alternative zur russischen und chinesischen Berichterstattung. Dass sich die USA aus diesem Feld zurückziehen, wird langfristig politische und gesellschaftliche Konsequenzen haben.

Ideologische Motive oder Fehlkalkulation?

Die Abschaltung von VOA wird von Trump-nahen Kreisen mit dem angeblich liberalen Bias des Senders begründet. Tatsächlich wurde immer wieder Kritik an einer vermeintlichen Einseitigkeit der Berichterstattung laut, doch der Sender bemühte sich in den vergangenen Jahren unter der Leitung von Michael Abramowitz, dem ehemaligen Direktor der pro-demokratischen Organisation Freedom House, um eine objektive Berichterstattung. Eine sachliche Auseinandersetzung mit journalistischer Neutralität wurde durch Trumps Maßnahmen jedoch obsolet gemacht.

Ein Kommentar von Kari Lake, eine enge Trump-Vertraute, die als „Senior Advisor“ für die US Agency for Global Media eingesetzt wurde, verdeutlicht, dass es weniger um Reformen als um eine ideologische Abwicklung ging. Lake bezeichnete Voice of America als „korrumpiert“ und „nicht zu retten“. Dabei griff sie auf Rhetorik zurück, die ironischerweise derjenigen der Kommunistischen Partei Chinas ähnelt. Dass ein solch einflussreicher Sender nicht reformiert, sondern einfach zerschlagen wurde, lässt auf eine politische Agenda schließen, die den Rückzug der USA aus globalen Informationsnetzwerken billigend in Kauf nimmt.

Ein fatales Signal an die Welt

Die Schließung von Voice of America bedeutet nicht nur den Verlust einer historischen Institution, sondern auch ein fatales Signal an die internationale Gemeinschaft. Die USA, einst ein Garant für Informationsfreiheit und Meinungspluralismus, setzen damit ihre Selbstmarginalisierung fort. Während autoritäre Staaten ihren Einfluss weiter ausbauen, verzichten die USA freiwillig auf ein wichtiges Instrument ihrer globalen Glaubwürdigkeit.

In einer Zeit, in der Desinformation als geopolitische Waffe eingesetzt wird, wäre eine Stärkung unabhängiger Berichterstattung notwendiger denn je. Dass stattdessen ausgerechnet die „Stimme Amerikas“ zum Schweigen gebracht wurde, könnte sich als eine der folgenreichsten Fehlentscheidungen der Trump-Administration erweisen.

Von P. Tiko

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