Der Winter schleicht sich nicht an – er schlägt mit voller Wucht zu. Statt sanfter Übergänge lässt der November in diesem Jahr jegliche Zurückhaltung fallen. In der elsässischen Gemeinde Marlenheim bei Straßburg frieren die Thermometer ein, noch bevor der Advent beginnt. Minus zwei Grad am Morgen, gefühlte Kälte wie im Januar – und der Wind zwickt in jede ungeschützte Hautfalte.
Doch was machen die Menschen, wenn der Winter seine eigenen Regeln schreibt?
Sie passen sich an.
Kleidung nach dem Zwiebelschalen-Prinzip
Auf dem Wochenmarkt von Marlenheim sieht man keine Fröstler. Nur Strategen. Wer klug ist, denkt in Schichten – nicht in dicken Jacken. Eine Kundin verrät ihre persönliche Anti-Kälte-Formel: „Ein kleines T-Shirt, noch ein kleines T-Shirt, dann ein paar weitere Schichten drüber, dicke Wandersocken und stabile Lederstiefel.“ Klingt nach Wintermilitanz, sieht aber ziemlich entspannt aus.
So zeigt sich: Der Kampf gegen die Kälte beginnt nicht draußen – sondern morgens vorm Kleiderschrank.
Ein alter Hase im Eiswind
Claude Stuber weiß, wie der Hase läuft – oder besser: wie der Frost kommt. Seit 40 Jahren tourt er mit seinem Marktstand durch die Region. Frostige Temperaturen? Alltag. Sein mobiler Arbeitsplatz ist entsprechend ausgerüstet: Gasheizung, Elektrogebläse, dicke Kleidung. „Man muss sich einfach gut schützen“, sagt er lakonisch. Kein Lamentieren, kein Klagen. Nur Anpassung.
Heiße Töpfe gegen klamme Finger
Wer friert, braucht Wärme von innen. Auch das wissen die Elsässer. Mariette Michel zählt auf dem Markt auf, was jetzt auf den Tisch kommt: Pot-au-feu, Gemüsesuppen, Choucroute. Herzhaft, deftig, dampfend – das sind die Rezepte, die jetzt nicht nur die Küche, sondern auch das Gemüt aufwärmen. Und das ganz ohne Thermostat.
Autos abgedeckt
Ein paar Schritte weiter trifft man Gérard Winsterstein. Er hat vorgesorgt – nicht mit Essen, sondern mit Technik. Um sich das morgendliche Eiskratzen zu ersparen, deckt er seine Autos mit Schutzplanen ab. „So frieren sie nicht ein, und ich spare mir Zeit und Nerven“, erklärt er. Klingt banal, macht aber den Unterschied, wenn man morgens nicht mit klammen Fingern an der Windschutzscheibe steht.
Holz, das heiß begehrt ist
Während die Temperaturen purzeln, ziehen die Lieferwagen durchs Dorf. Brennholz wird knapp – und kostbar. Wer noch keinen Vorrat hat, wartet lieber nicht mehr lange. Der Holzstapel im Garten ist plötzlich nicht mehr Dekoration, sondern Lebensversicherung.
Laut Météo France war dieser Samstag der kälteste Novembertag seit zwölf Jahren. 2013 war das letzte Mal, dass man in der Region derart bibberte. Die Kälte kam früh – und bleibt womöglich länger als üblich.
Was bringt dieser Kälteeinbruch mit sich?
Vielleicht ist es mehr als nur ein meteorologisches Phänomen. Vielleicht ist es eine kleine Erinnerung daran, wie wandelbar der Alltag ist – und wie schnell sich Gewohnheiten verschieben müssen. In Marlenheim sieht man jedenfalls keine Resignation, sondern Improvisation. Keine Panik, sondern Pragmatismus.
Denn wer im Elsass lebt, der weiß: Der Winter fragt nicht, ob man bereit ist. Er kommt einfach.
Und dann ist es gut, wenn man schon die dicken Socken angezogen hat.
Autor: C.H.
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