Tag & Nacht




Die zweite Amtszeit von Präsident Donald Trump ist von einem beispiellosen Verwaltungschaos geprägt. Im Zentrum steht die Gründung des „Department of Government Efficiency“ (DOGE), das unter der Leitung von Elon Musk massive Einsparungen im Bundeshaushalt erzielen sollte. Statt Effizienzsteigerung und Bürokratieabbau folgten Entlassungswellen, Rechtsstreitigkeiten und ein öffentlich ausgetragener Machtkampf zwischen Präsident und dem inzwischen zurückgetretenen Behördenchef. Der Versuch, die Bundesverwaltung zu verschlanken, entwickelte sich binnen weniger Monate zur administrativen Kernschmelze.

Ein radikaler Schnitt ohne Netz und doppelten Boden

DOGE wurde mit dem Anspruch gegründet, ein Symbol für eine moderne, schlanke Regierung zu sein. Musk, der sich in der Vergangenheit als disruptiver Innovator im privaten Sektor einen Namen gemacht hatte, setzte auf kompromisslose Maßnahmen: Über 275.000 Stellen im öffentlichen Dienst wurden binnen weniger Wochen gestrichen – darunter viele Fachkräfte in Schlüsselbehörden wie der FDA, dem IRS oder der NOAA. Die Kündigungen erfolgten oft ohne individuelle Prüfungen, begleitet von knappen Mitteilungen und einer Aushebelung traditioneller Verfahren.

Die Hoffnung, durch Automatisierung und Digitalisierung rasch Ersatz zu schaffen, erwies sich als Illusion. Vielerorts brach der Behördenbetrieb zusammen: Medikamente warteten wochenlang auf Zulassung, Steuererklärungen blieben unbearbeitet, Wetterwarnungen kamen zu spät. Interne Notfallpläne existierten kaum oder waren unzureichend.

Juristische Ohrfeigen und operative Notlösungen

Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Innerhalb weniger Wochen häuften sich Klagen entlassener Mitarbeiter und Gewerkschaften. Bundesgerichte kassierten zentrale Maßnahmen der DOGE-Strategie mit dem Hinweis auf mangelnde gesetzliche Grundlage und übermäßige Exekutivvollmachten. Die Regierung wurde zur Rücknahme der Kündigungen gezwungen, zumindest in besonders kritischen Bereichen.

Doch die Umsetzung erwies sich als schwerfällig. Viele der entlassenen Fachkräfte hatten längst neue Anstellungen gefunden oder erklärten offen, nicht unter dem derzeitigen instabilen und unberechenbaren politischen Klima zurückkehren zu wollen. Die Behörden sahen sich gezwungen, pensionierte Beamte zu reaktivieren oder ehrenamtliche Hilfskräfte einzusetzen, um den Grundbetrieb aufrechtzuerhalten.

Ein öffentliches Zerwürfnis auf offener Bühne

Inmitten dieser Krise eskalierte auch das persönliche Verhältnis zwischen Trump und Musk. Was zunächst als innovative Zusammenarbeit inszeniert worden war, mündete in gegenseitigen Schuldzuweisungen. Trump nannte Musk öffentlich „den Mann, der den Verstand verloren hat“, Musk wiederum warf Trump finanzielle Inkompetenz und moralisches Versagen vor. Der Bruch wurde zum medialen Dauerbrenner und lenkte zusätzlich vom eigentlichen Verwaltungsskandal ab.

Auch innerhalb der republikanischen Partei wächst die Kritik. Während wirtschaftsliberale Stimmen den Kontrollverlust beklagen, warnen konservative Sicherheitspolitiker vor den Folgen einer handlungsunfähigen Verwaltung in Bereichen wie Cybersicherheit und Außenpolitik.

Vertrauenskrise in die Verwaltung

Die wirtschaftlichen Folgen sind beträchtlich. Die Steuerbehörde verzeichnete Einnahmeausfälle in dreistelliger Milliardenhöhe, weil Rückstände bei der Bearbeitung von Steuererklärungen und Prüfungen nicht mehr aufgeholt werden konnten. Die kurzfristige Einsparung an Gehältern wird so von langfristigen Einnahmeverlusten überlagert. Gleichzeitig erschütterte der Vorfall das Vertrauen der Bevölkerung in die Leistungsfähigkeit des Staates.

Die Frage nach Verantwortlichkeit bleibt bislang unbeantwortet. Weder im Weißen Haus noch bei DOGE wurden personelle Konsequenzen gezogen. Stattdessen wurde das Narrativ bemüht, der „deep State“ habe sich gegen Reformen gewehrt – eine Behauptung, die weniger der Problemlösung als vielmehr der politischen Selbstvergewisserung dient.

Ein Lehrstück über Macht, Hybris und Systemgrenzen

Die DOGE-Affäre verdeutlicht, wie gefährlich politische Schnellschüsse in komplexen Verwaltungsstrukturen sein können. Der Versuch, mit privatwirtschaftlicher Radikalität ein hochreguliertes System umzukrempeln, scheiterte nicht nur an juristischen Hürden, sondern auch an der Realität institutioneller Abhängigkeiten. Verwaltung lässt sich nicht wie ein Start-up restrukturieren – schon gar nicht im Maßstab eines US-Bundesapparats.

Was bleibt, ist ein beschädigtes Verwaltungssystem, eine verunsicherte Beamtenschaft und ein politisches Führungspersonal, das seine Glaubwürdigkeit verspielt hat. Die USA stehen vor der Herausforderung, ihre Institutionen nicht nur operativ zu stabilisieren, sondern auch moralisch zu rehabilitieren. Der Fall DOGE könnte in die Lehrbücher eingehen – als abschreckendes Beispiel dafür, wie disruptive Politik nicht nur Fortschritt, sondern auch Zerstörung bedeuten kann.

Von Andreas Brucker

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