Tag & Nacht

Emmanuel Macron versicherte in einem Interview mit der Zeitung Le Parisien am Dienstag, er wolle „die Ungeimpften bis zum bitteren Ende ärgern“. Als Reaktion darauf setzte die Nationalversammlung in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch die Prüfung des Gesetzentwurfs über den Impfpass erneut aus.

Ausrutscher oder politische Strategie? In einem Interview mit der Zeitung Le Parisien erklärte Emmanuel Macron am Dienstag, den 4. Januar, dass er die Nicht-Impfenden „ärgern“ wolle, nachdem die Abgeordneten die Altersgrenze für den Impfpass von 12 auf 16 Jahre angehoben hatten, um die aufgeheizte Stimmung in der Nationalversammlung zu beruhigen.

Die Äußerungen des Präsidenten verursachten ein erneutes Chaos im Plenarsaal und führten zu einer weiteren Unterbrechung der ersten Lesung des Gesetzentwurfs, mit dem der Gesundheitspass in einen Impfpass umgewandelt werden soll. „Die Bedingungen für eine ruhige Arbeit sind nicht gegeben“, sagte der Sitzungspräsident Marc Le Fur (Les Républicains) und kündigte an, dass die Debatten am Mittwoch um 15 Uhr wieder aufgenommen werden sollen.

„Ich habe große Lust, die Ungeimpften zu ärgern. Und deshalb werden wir das auch weiterhin tun, bis zum bitteren Ende. Das ist die Strategie“, verkündete Emmanuel Macron in einem Interview mit der Zeitung Le Parisien.

Auf die Frage einer Leserin von Le Parisien, die darauf hinwies, dass Ungeimpfte „zu 85% die Intensivstationen belegen“, was zu einer Verschiebung von Operationen führe, antwortete Emmanuel Macron, dass diese Bemerkung „das beste Argument“ für die Strategie der Regierung sei und dass „in der Demokratie der schlimmste Feind die Lüge und die Dummheit“ sei.

„Fast alle Menschen, mehr als 90%, haben sich an die Impfempfehlung gehalten“ und „es ist eine sehr kleine Minderheit, die sich widersetzt“, fügte der Präsident hinzu.

„Wie bringen wir diese Menschen zum Impfen? Man bringt sie dazu, pardon, wenn ich das so sage, indem man sie noch mehr ärgert. Ich bin nicht dafür da, die Franzosen zu ärgern. Ich schimpfe den ganzen Tag auf die Verwaltung, wenn sie sie blockiert. Ich habe aber große Lust, die Ungeimpften zu ärgern“, fuhr Emmanuel Macron fort.

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„Ich werde sie nicht ins Gefängnis stecken, ich werde sie nicht zwangsimpfen. Und deshalb muss man ihnen sagen: Ab dem 15. Januar könnt ihr nicht mehr ins Restaurant gehen, ihr könnt kein Glas Wein mehr an der Bar trinken, ihr könnt nicht mehr Kaffee trinken gehen, ihr könnt nicht mehr ins Theater gehen, ihr könnt nicht mehr ins Kino gehen…“, erklärte der Staatschef.

Empörung der Opposition
Der Präsidentschaftskandidat von La France insoumise (LFI) und Abgeordnete Jean-Luc Mélenchon war einer der ersten Oppositionspolitiker, der auf die Äusserungen Macrons in der Zeitung Le Parisien reagierte. „Weiss der Präsident, was er sagt? Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sagt ‚eher überzeugen als zwingen‘. Und er? ‚Noch mehr ärgern‘. Bestürzend“, prangert Mélenchon in einem Tweet an.

Für Marine Le Pen, die Kandidatin des Rassemblement National (RN), „sollte ein Präsident so etwas nicht sagen. Der Garant der Einheit der Nation beharrt darauf, sie zu spalten, und kündigt an, dass er die Ungeimpften zu Bürgern zweiter Klasse machen will. Emmanuel Macron ist seines Amtes unwürdig“.

„Als Präsident werde ich aufhören, die Franzosen zu ärgern. Der scheidende Präsident hingegen spricht offen davon, eine Kategorie von Franzosen ärgern zu wollen“, twitterte umgehend der rechtsextreme Kandidat Éric Zemmour.

Emmanuel Macrons Äußerungen versetzten am Dienstagabend auch die Nationalversammlung in Aufruhr. Der kommunistische Abgeordnete Fabien Roussel stellte die Frage nach den „tatsächlichen Absichten der Regierung“. Ist der Gesetzentwurf über den Gesundheitspass „ein Text, um die Franzosen mehr zu ärgern oder weniger zu ärgern?“

„Ein Präsident darf solche Äußerungen nicht machen“, meinte Christian Jacob, Vorsitzender der Republikaner und fügte hinzu: „Ich kann einen Gesetzestext, der darauf abzielt, die Franzosen zu ärgern, nicht unterstützen“.


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