Tag & Nacht

Die Regionalwahlen waren geprägt von einem Bonus für Amtsinhaber und von einer extrem niedrigen Wahlbeteiligung.

Sie sollten eine „Generalprobe“ und ein „Warmlaufen für die Präsidentschaftswahl“ sein. Aber es gab keine großen Überraschung bei den Regional- und Departementswahlen 2021, die wegen der Epidemie von Covid-19 verschoben werden mussten. In einem Satz zusammengafsst: Die Konservativen werden gestärkt, die Linke behält ihre fünf Regionen und die Partei von Marine Le Pen ‚Rassemblement National‘ (RN) ist auf dem Rückzug. Das wirklich Besondere an dieser Wahl ist eine historische niedrige Wahlbeteiligung, die deutlich zum Ausdruck bringt, dass die Wichtigkeit der regionalen Politik in den Augen der Franzosen – zumindest in der Zeit nach den Wirren der Pandemie – deutlich abgenommen hat.

Die Gewinner
Die traditionellen Parteien. Die Stimmenverteilung auf die Parteien ändert sich fast nicht im Vergleich zu der Wahl von 2015. Denn, was selten vorkommt, alle Amtsinhaber gewinnen auch den zweiten Wahlgang. Die Sozialistische Partei auf der Linken und die Republikaner auf der Rechten behalten somit ihre regionalen Hochburgen bei. Die rekordverdächtige Enthaltung der Wähler hat ohne Zweifel die bisherigen Amtsinhaber begünstigt.

„Es ist eine Wahl des Status quo, bei der alle amtierenden Regionalpräsidenten wiedergewählt werden, und bei der alle Parteien der Rechten oder der Linken keine guten Ergebnisse erzielen“, kommentierte Gabriel Attal, der Sprecher der Regierung, am Sonntagabend auf France 2.

Die Präsidentschaftskandidaten. Valérie Pécresse, Xavier Bertrand und Laurent Wauquiez, alle drei amtierende und wiedergewählte Präsidenten der Regionen Ile-de-France, Hauts-de-France bzw. Auvergne-Rhône-Alpes, hatten auf diese Wahl gesetzt, um ihre Position mit Blick auf die Präsidentschaftswahl 2022 zu stärken. Ihre Wette war erfolgreich: Die drei konservativen Politiker setzten sich in ihren jeweiligen Regionen in der zweiten Runde durch, mit einem sehr komfortablen Vorsprung für Xavier Bertrand und Laurent Wauquiez. Eine vermeintlich gute Ausgangssituation, die es allerdings den Konservativen nicht leichter machen sollte, den oder die geeignetsten Kanditat*in für die Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr zu bestimmen..

Xavier Bertrand Regionalpräsident von Hauts-de-France, und bisher einziger erklärter Kandidat der Rechten für 2022, bekräftigte seine Ambitionen, nach den Regionalwahlen Präsident zu werden: „Dieses Ergebnis gibt mir die Kraft, das ganze französische Volk zu vertreten zu wollen“, sagte er. Valérie Pécresse und Laurent Wauquiez wollen zum jetzigen Zeitpunkt allerdings eigene Ambitionen nicht ausschliessen, meldet France Télévisions aus ihrem Umfeld. Die Präsidentin der Region Ile-de-France, Valérie Pécresse, sieht in dem Wahlergebnis „einen weiteren Schritt“ in Richtung einer formellen Kandidatur für den Elysée-Palast, die sie gegebenenfalls „bis Ende Juli“ erklären will. Laurent Wauquiez hingegen „lässt sich den Sommer Zeit“, um über seine eigene Kandidatur nachzudenken.

Enthaltung. Die Wahlbeteiligung der Franzosen war noch nie so niedrig wie bei diesen Wahlen. Insgesamt gingen 66,7% der Wähler im ersten Wahlgang nicht zur Wahl und 65,7% enthielten sich auch im zweiten Wahlgang, so eine Ipsos/Sopra Steria Schätzung für France Télévisions. „Die Wahlenthaltung bleibt auf einem sehr hohen Niveau“, analysiert Mathieu Gallard, Forschungsdirektor bei Ipsos. „Und das ist relativ selten, weil die Wahlenthaltung bei früheren Wahlen zwischen den beiden Runden regelmäßig deutlich abgenommen hat.“

Historische Zahlen, die den Verlust des Interesses an Wahlen, vor allem bei den Jüngsten: 87% der 18- bis 24-Jährigen blieben beim ersten Wahlgang am 20. Juni zu Hause. Und dieser Trend ist über alle Parteien hinweg relativ einheitlich.

Die Verlierer
Das ‚Rassemblement National‘. Die Partei der ultra-rechten Marine Le Pen setzte darauf, ihre territoriale Präsenz zu verstärken, indem sie Regionen von traditionellen Parteien eroberte: Es wurde eine kalte Dusche. Wie schon 2015 ist es der rechtsextremen Partei nicht gelungen, den Chef eines regionalen Exekutivorgans zu stellen. Schlimmer noch: Laut einer Ipsos/Sopra Steria-Schätzung im Auftrag von France Télévisions sinken die Werte sogar in fast allen französischen Regionen. Thierry Mariani, der einzige RN-Kandidat, der für sich in Anspruch nehmen konnte, die Region Paca zu gewinnen, wurde im 2. Wahlgang von dem Konservativen Renaud Muselier deutlich besiegt: Dieser gewann mit mehr als 57% der Stimmen, unterstützt durch den Rückzug der linken Liste.

Trotz starker Aufrufe zur Mobilisierung ihrer Wähler und ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen ist die Partei von Marine Le Pen nicht in der Lage, die gläserne Decke bei den Wahlen zu durchbrechen, die ihr den Zugang zu lokalen Spitzenpositionen verwehrt. Insgesamt muss man diese Wahl als einen durchschlagenden Misserfolg für das Rassemblement National bewerten.

Die Minister. Sie waren zu fünft am Start, kamen aber nicht ins Ziel. Die Minister, die an die Front geschickt wurden, um die lokale Präsenz von Macrons Partei von LREM (La République en Marche) zu fördern, hatten keinen Erfolg mit ihrer Mission. „Diese Ergebnisse sind eine Enttäuschung für die präsidiale Mehrheit“, gab Parteichef Stanislas Guerini im Sender BFMTV zu.

Der Grund für das schlechte Abschneiden der LREM könnte sein, dass die Partei sich sehr zentralisiert und sehr auf Emmanuel Macron personalisiert darstellt. Sie hat sich, was für eine so junge Partei eigentlich nötig wäre, niemals die Mittel gegeben, besser verankert zu sein.

Die Grünen. Sie wollten einen Richtungswechsel aus den Regionen heraus, aber die Wählerschaft ist ihnen nicht gefolgt. Trotz guter zweiter Plätze in Pays de la Loire (34,87% für den Ökologen Matthieu Orphelin) und in Ile-de-France (33,6% für Julien Bayou und seine Verbündeten Clémentine Autain und Audrey Pulvar) bleiben die Listen der Ökologen auch diesmal im Hintergrund. Die Grünen müssen noch sehr viel mehr Informationsarbeit leisten und Wähler ansprechen, damit sie in Frankreich eine ernst zu nehmende Rolle in der Politik einnehmen können.


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