Der französische Premierminister François Bayrou hat deutliche Worte gefunden: Frankreich und Europa könnten „dominiert, erdrückt, marginalisiert“ werden, wenn sie der angekündigten Politik des damaligen US-Präsidenten Donald Trump nicht entschlossen entgegentreten. Diese eindringliche Warnung äußerte Bayrou am 20. Januar, dem Tag von Trumps Amtseinführung, während einer Ansprache in Pau, seiner Heimatstadt. Seine Botschaft ist klar – jetzt ist Handeln gefragt, um das Kräfteverhältnis zwischen Europa und den USA zu wahren.
Eine dominierende US-Politik
Bayrou kritisierte die Vereinigten Staaten scharf und bezeichnete deren Kurs als „unglaublich dominierend“. Dieser äußere sich vor allem durch die Stärke des Dollars, aggressive industriepolitische Maßnahmen sowie die monopolartige Kontrolle über Forschung und Investitionen. „Franzosen und Europäer“ müssten sich dringend besinnen und einen „Neustart“ wagen, so der Premierminister.
Doch was genau bedeutet das? Europa steht vor der Herausforderung, eine Antwort auf den globalen Einfluss der USA zu finden – sei es durch wirtschaftliche Eigenständigkeit, technologische Fortschritte oder eine stärkere Zusammenarbeit innerhalb der EU. Die Frage, die sich viele stellen: Ist Europa bereit, die Abhängigkeiten zu durchbrechen und eine führende Rolle in der Weltpolitik einzunehmen?
Europa als „Vasall“?
Bayrous Besorgnis wird von einem weiteren politischen Schwergewicht geteilt: Dominique de Villepin, dem ehemaligen französischen Außenminister und Premierminister. In einem Interview mit franceinfo sprach er davon, dass Europa Gefahr laufe, „vom Status eines Verbündeten zum Status eines Vasallen“ zu verkommen. Er sprach von einer Ära der „Unterwerfung“ und einem „Diktat“, das die Verbündeten der USA ertragen müssten. Seine Forderung: Europa müsse militärisch und technologisch unabhängig werden, um den „Trumpismus und seine weltweite Erschütterung“ zu bewältigen.
De Villepins Worte zeigen, dass die Sorge nicht allein auf wirtschaftliche Aspekte begrenzt ist. Vielmehr geht es um die politische Souveränität Europas – ein Thema, das gerade in Krisenzeiten an Bedeutung gewinnt.
Der „Trumpismus“ und seine Folgen
Donald Trump stand während seiner Präsidentschaft für eine Politik des „America First“. Das hatte weitreichende Konsequenzen: Handelskonflikte, einseitige Entscheidungen in internationalen Bündnissen und der Rückzug aus globalen Abkommen wie dem Pariser Klimaschutzabkommen. Seine „dominierende“ Haltung hinterließ nicht nur bei Gegnern, sondern auch bei Verbündeten ein Gefühl der Unsicherheit.
Doch Trump war mehr als nur eine Person – er verkörperte einen politischen Stil, der bis heute nachwirkt. Populismus, Protektionismus und nationale Interessen stehen oft über internationaler Zusammenarbeit. Die Europäische Union sieht sich dadurch vor die Aufgabe gestellt, ihre Werte und Interessen gegenüber einer zunehmend unberechenbaren Weltmacht zu verteidigen.
Europas Chance zur Selbstbehauptung
Wie kann Europa reagieren? Ein erster Schritt könnte sein, die Abhängigkeit von den USA zu reduzieren. Das betrifft nicht nur den Handel, sondern auch Schlüsselbereiche wie Technologie, Energie und Verteidigung. Eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den EU-Mitgliedsstaaten wäre dabei entscheidend. Denn nur gemeinsam hat Europa das nötige Gewicht, um global ernst genommen zu werden.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die politische Geschlossenheit. Nationalistische Tendenzen und Uneinigkeit schwächen die EU und machen sie anfälliger für äußeren Druck. Ein geeintes Europa könnte hingegen ein Gegengewicht zu den USA bilden und gleichzeitig als Vermittler in internationalen Konflikten auftreten.
Ein Weckruf für die Zukunft
Bayrous und de Villepins Aussagen sind nicht nur eine Warnung – sie sind auch ein Weckruf. Die Zukunft Europas hängt davon ab, wie entschlossen es auf die Herausforderungen reagiert, die eine sich wandelnde Weltordnung mit sich bringt. Werden wir in der Lage sein, eigene Wege zu gehen und die Abhängigkeiten zu verringern? Oder werden wir zusehen, wie die Schlinge der Dominanz immer enger gezogen wird?
Die Antwort auf diese Frage wird entscheidend dafür sein, ob Europa auch in Zukunft als starke, unabhängige Kraft auf der Weltbühne bestehen kann – oder ob es tatsächlich im Schatten der USA verschwindet. Eines ist sicher: Die Uhr tickt.
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