Hand aufs Herz: Wer hätte vor fünf Jahren gedacht, dass die Europäische Union in einem atemberaubenden Tempo Milliardenpakete schnürt, Impfstoffe zentral einkauft und sogar Waffenlieferungen koordiniert? Eben. Noch vor wenigen Jahren war Brüssel für viele ein bürokratisches Monstrum, das sich in Gurkenkrümmungen verirrte. Heute? Heute ist die EU ein geopolitischer Akteur, ob sie will oder nicht.
Klar, die Pandemie war ein Schock. Erst das große Chaos, dann die plötzliche Einsicht: Vielleicht ist ein bisschen Zusammenarbeit doch nicht so schlecht. Und siehe da – auf einmal konnten die Staaten gemeinsam Impfstoffe kaufen. Zwar gab es anfangs ordentlich Genörgel, weil Großbritannien schneller war, aber am Ende saß Europa auf den guten, wirksamen Vakzinen, während andere Länder sich mit zweifelhafteren Alternativen herumschlugen. Man könnte fast sagen: Brüssel hat’s gerockt.
Doch während wir uns noch über den Erfolg der Impfstrategie freuten, stand der nächste Schock vor der Tür: Wladimir Putin marschierte in die Ukraine ein. Und plötzlich war die EU nicht nur Gesundheitsmanagerin, sondern auch strategische Kriegsplanerin. Sanktionen? Check. Waffenlieferungen? Läuft. Energiepolitik umgekrempelt? Ebenfalls abgehakt. Wo war dieses Europa eigentlich die letzten Jahrzehnte?
Aber jetzt mal ehrlich: Wird das auf Dauer gutgehen? Die Bürger vertrauen Brüssel so sehr wie seit 2007 nicht mehr. Aber 51 % sind jetzt auch nicht die Welt. Die andere Hälfte schaut misstrauisch zu, wie Ursula von der Leyen Milliarden jongliert und sich fragt: Wer zahlt die Zeche? Und was, wenn sich der Wind dreht?
Denn machen wir uns nichts vor: 2025 könnte für die EU zum Albtraum werden. Donald Trump scharrt schon mit den Hufen, bereit, Europa die kalte Schulter zu zeigen. Und in Brüssel diskutiert man munter über einen neuen Verteidigungsfonds. Wer soll das durchsetzen? Die Deutschen, die beim Thema Schuldenbremse Schnappatmung bekommen? Oder die Osteuropäer, die sich sicher sind, dass Westeuropa sowieso nicht versteht, was Russland bedeutet?
Ach, und dann wäre da noch das kleine Problem mit den Rechtspopulisten. Italien, Ungarn, die Slowakei – die Riege der „Wir-machen-das-anders“-Regierungen wächst. Die EU soll stärker werden, sagen viele. Aber wie soll das gehen, wenn immer mehr Mitgliedstaaten lieber nach Washington oder Moskau schielen, anstatt sich brav an Brüsseler Spielregeln zu halten?
Also, liebe EU: Ja, du hast bewiesen, dass du mehr kannst, als Richtlinien für Staubsaugerdüsen zu schreiben. Aber die wahre Probe kommt erst noch. Denn wenn die nächsten Krisen an die Tür klopfen – und sie werden kommen –, dann reicht es nicht mehr, mit Milliarden um sich zu werfen. Dann geht es ums Eingemachte: Wer steht wirklich für Europa? Und wer haut ab, wenn es ernst wird?
Ein Kommentar von Andreas M. Brucker
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