Tag & Nacht

Manchmal lauern die größten Bedrohungen da, wo wir sie nicht erwarten – zum Beispiel in einem Glas Leitungswasser. Eine aktuelle Studie der französischen NGO Générations Futures und der Verbraucherorganisation UFC-Que Choisir bringt erschreckende Erkenntnisse ans Licht: In vielen Regionen Frankreichs enthält das Trinkwasser sogenannte PFAS, auch bekannt als „ewige Chemikalien“. Das klingt nach Science-Fiction, ist aber leider unsere Realität.

PFAS sind chemische Substanzen, die in Alltagsprodukten wie Teflonpfannen, wetterfester Kleidung oder Pestiziden vorkommen. Was sie besonders problematisch macht, ist ihre außergewöhnliche Langlebigkeit. Einmal in die Umwelt freigesetzt, zerfallen sie kaum – sie reichern sich an, verschmutzen Böden, Gewässer und schließlich auch uns Menschen. Eine Art unsichtbare Spur, die wir hinterlassen, ohne es zu bemerken.

Doch was genau macht diese Substanzen so bedrohlich, und wie kann man sie aus unserem Wasser entfernen? Olivier Andrault, Ernährungsexperte der UFC-Que Choisir, gibt in einem Interview mit der französischen Nachrichtensendung „La Matinale“ Einblicke in die Ergebnisse der Untersuchung.


Eine erschreckende Bestandsaufnahme

Die Untersuchung von Générations Futures und UFC-Que Choisir ist beunruhigend. Zwischen Juni und November 2024 wurden Proben aus dem Leitungswasser von 30 Haushalten in verschiedenen französischen Städten – von Paris über Lyon bis zu kleineren Gemeinden – genommen. Besonders alarmierend: In einigen Fällen lagen die gemessenen PFAS-Werte deutlich über den empfohlenen Grenzwerten.

Diese Konzentrationen sind vor allem in Regionen hoch, die in der Nähe von Produktionsstätten für PFAS oder anderen Industrieanlagen liegen. Das zeigt, wie sehr lokale Gegebenheiten die Belastung beeinflussen. Aber ehrlich gesagt: Möchte man sich beim Trinken eines Glases Wasser wirklich fragen, ob man zufällig neben einer Chemiefabrik wohnt?


PFAS – die unverwüstlichen Chemikalien

Warum ist es so schwer, gegen PFAS vorzugehen? Die Antwort liegt in ihrer chemischen Struktur. PFAS sind so gestaltet, dass sie extrem stabil sind. Das macht sie perfekt für ihre Anwendungen – etwa für wasserabweisende Kleidung oder hitzebeständige Beschichtungen – und gleichzeitig unglaublich problematisch für die Umwelt.

Besonders besorgniserregend ist dabei der Stoff TFA (Trifluoressigsäure), ein Abbauprodukt verschiedener Substanzen wie Pestizide. Laut Olivier Andrault findet man TFA immer häufiger im Trinkwasser. Das Problem: TFA kann nicht einfach herausgefiltert werden. Und so wird es Teil eines toxischen Kreislaufs, der uns alle betrifft.


Die technologische Herausforderung der Reinigung

Die Lösung? Leichter gesagt als getan. Die Reinigung von Wasser, das mit PFAS belastet ist, stellt uns vor große technische Herausforderungen. Zwar gibt es Ansätze, wie man diese Substanzen entfernen könnte, doch diese Verfahren sind noch nicht ausgereift. Olivier Andrault erklärt: „Es ist möglich, das Wasser zu reinigen, aber es wird sehr teuer sein.“ Übersetzt: Wer für sauberes Trinkwasser sorgen möchte, muss in die Tasche greifen – ob das nun durch öffentliche Investitionen oder höhere Wasserpreise geschieht.

Hier stellt sich die Frage: Wer soll diese Kosten tragen? Müssen wir Verbraucher am Ende wieder für die Umweltverschmutzung der Industrie bezahlen? Oder sollte die Verursacherhaftung – ein Grundprinzip der Umweltpolitik – endlich konsequent angewendet werden?


Eine kollektive Verantwortung

Was bedeutet das nun für die Politik und die Gesellschaft? Olivier Andrault betont, dass die Lösung dieses Problems nicht alleine durch individuelle Maßnahmen erreicht werden kann. Natürlich hilft es, weniger Produkte mit PFAS zu kaufen, aber das allein reicht nicht aus. Die Verantwortung liegt auch bei den Herstellern und den Regierungen, die klare und strikte Regeln schaffen müssen, um den Einsatz solcher Chemikalien zu regulieren.

Ein konkretes Beispiel: Die EU hat bereits Schritte unternommen, um die Verwendung bestimmter PFAS einzuschränken. Doch in vielen Bereichen ist der Einsatz nach wie vor erlaubt – und solange das so bleibt, werden wir weiterhin mit den Folgen kämpfen müssen.


Hoffnung durch Forschung?

Trotz der düsteren Prognosen gibt es Lichtblicke. Fortschritte in der Technologie und Wissenschaft könnten langfristig dazu beitragen, bessere und effizientere Methoden zur Entfernung von PFAS zu entwickeln. Gleichzeitig zeigt der Druck von Verbraucherschutzorganisationen wie UFC-Que Choisir, dass das Thema zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit rückt. Und das ist entscheidend, denn ohne gesellschaftlichen Druck bleibt vieles beim Alten.

Doch Hand aufs Herz: Wollen wir wirklich darauf warten, dass die Technologie eines Tages „so weit ist“, oder sollten wir nicht jetzt handeln und die Weichen stellen?


Was können wir als Einzelne tun?

Auch wenn die Lösung des PFAS-Problems eine kollektive Aufgabe ist, können wir selbst kleine Beiträge leisten. Zum Beispiel, indem wir auf den Kauf von Produkten verzichten, die solche Chemikalien enthalten – wie wasserabweisende Sprays oder beschichtete Pfannen. Ebenso wichtig ist es, sich politisch zu engagieren und Druck auf Entscheidungsträger auszuüben, strengere Regulierungen durchzusetzen.

Am Ende bleibt jedoch eine bittere Wahrheit: Der Kampf gegen PFAS ist eine Mammutaufgabe. Es wird nicht einfach und nicht billig. Doch ist es nicht besser, jetzt zu investieren, anstatt später mit den irreversiblen Folgen zu leben? Manchmal braucht es einfach Mut – und ein bisschen Geduld –, um die richtigen Entscheidungen zu treffen.


Quellen:

  • Générations Futures und UFC-Que Choisir, „Étude sur la contamination de l’eau par les PFAS“, 2024
  • Interview mit Olivier Andrault, ausgestrahlt auf „La Matinale“ von franceinfo am 24. Januar 2025

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