Tag & Nacht

Laut Guillaume Ancel ist es wahrscheinlich, dass die Ukrainer gegenwärtig eine dritte Gegenoffensive vorbereiten, die für die russische Armee fatal sein könnte.

Die Russen haben den Krieg militärisch bereits verloren, das jedenfalls meint Guillaume Ancel, ein ehemaliger Offizier der französischen Armee, gegenüber dem Sender Franceinfo, nachdem die ukrainische Armee am Samstag, dem 1. Oktober, in die strategisch wichtige Stadt Lyman im Osten des Landes, zurückerobert hat. Am Freitag wurde die Annexion des östlichen Teils des ukrainischen Territoriums durch Moskau von der internationalen Gemeinschaft scharf verurteilt. Oberstleutnant a.D. Guillaume Ancel zufolge sind die jüngsten Erklärungen von Wladimir Putin nur ein Mittel, um „das Debakel seiner Armee zu verschleiern“.

Die Situation in Lyman ist ein perfektes Beispiel für die Situation der russischen Armee. Sie bekommt überall Risse, die Einheiten gehorchen nicht einmal mehr den Befehlen von Wladimir Putin, ganz einfach weil sie nicht mehr die Mittel haben, um Widerstand zu leisten. Die russische Armee hat den Großteil ihrer Ausrüstung und ihres Potenzials verloren. In Bezug auf Führung und Aufklärung sind besonders grosse Mängel zu beobachten. Die russischen Einheiten agieren praktisch blind, während die Ukrainer bemerkenswert gut informiert sind. An der Front bei Cherson in der Südukraine leisten die Russen mit mit Ach und Krach noch Widerstand. Es ist aber wahrscheinlich, dass die Ukrainer angesichts der Mittel, über die sie heute verfügen, eine dritte Gegenoffensive vorbereiten. Diese könnte dann für die Armee von Wladimir Putin fatal werden.

Laut Guillaume Ancel haben die Russen den Krieg militärisch eigentlich schon verloren. Sie haben keine ausreichenden Mittel mehr, um Widerstand zu leisten. Sie können das Debakel lediglich ein wenig herauszögern. Es ist lediglich eine Frage der Zeit. Laut Guillaume Ancel hat Wladimir Putin seine Armee bereits zerstört. Das Gepolter aus Moskau, auch über den Einsatz von Atomwaffen, zeigt vor allem, dass Putin und die Armeeführung versucht, das Debakel vor Ort zu verschleiern.

Könnte die Mobilisierung von 300.000 Reservisten die Situation zum Vorteil Russlands drehen?

Guillaume Ancel sieht die Mobilisierung als reine Fiktion. Die Mobilisierung erfolgt seiner Meinung nach zu spät und völlig chaotisch. „Man sollte nicht in dem Moment, in dem ein Feuer ausbricht, losziehen und Feuerwehrleute rekrutieren!“ Ausserdem sieht man deutlich, dass die Russen nicht die Absicht haben, in den Kampf zu ziehen, und dass sie sich von den Ukrainern als Volk und Staat absolut nicht bedroht fühlen. Das könne als grosser Misserfolg Putins gewertet werden. Wenn man darüber hinaus den Zustand der vermeintlichen Elite-Einheiten vor Ort sieht, dann könne man sich vorstellen, schlecht ausgerüstete, absolut untrainierte und schlecht befehligte Einheiten aus Reservisten aussehen werden. Das hieße, die russische Armee als völligen Versager darzustellen.

Guillaume Ancel ist ehemaliger französischer Offizier und Schriftsteller, geboren am 3. Dezember 1965. Er hat mehrere Bücher über militärische Auslandseinsätze Frankreichs in Ruanda, Kambodscha und Bosnien veröffentlicht. Nach 20 Jahren Dienst verliess er die Armee im Rang eines Oberstleutnants.


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