Tag & Nacht




Sommerzeit, Urlaubszeit – Frankreichs Straßen füllen sich mit Familien auf dem Weg in die Ferien. Doch wer sich mit dem Auto auf große Fahrt begibt, könnte ungewollt in eine Kostenfalle geraten. Denn neben Stau und Hitze lauert ein weiteres, weitgehend unbekanntes Risiko: Betrügerische Abschleppdienste, die die Notlage gestrandeter Autofahrer skrupellos ausnutzen. Ihr Geschäft ist so lukrativ wie perfide – und sie sind der offiziellen Pannenhilfe oft einen Schritt voraus.

Wenn Hilfe zur Abzocke wird

Die Masche ist gut organisiert, effizient – und bedeutet für viele Betroffene ein teures Erwachen. Falsche Pannenhelfer spähen mit Hilfe von Navigations-Apps wie Waze oder Google Maps nach kleinen Staus durch liegengebliebene Fahrzeuge. Diese Dienste markieren Pannen in Echtzeit – ein gefundenes Fressen für Kriminelle.

Sobald eine Panne gemeldet wird, rasen sie so schnell wie möglich zum Ort des Geschehens. Manchmal dauert es keine fünf Minuten. So schlagen sie nicht nur den offiziellen Abschleppdiensten ein Schnippchen, sondern wirken auf den ersten Blick wie echte Lebensretter. Im Blaumann, mit vermeintlichem Firmenlogo und selbstbewusstem Auftreten geben sie sich als Vertragspartner von Versicherern aus. Wer denkt da noch an Misstrauen?

Bittere Quittung nach der Rettung

Doch wer zustimmt, dem wird der Urlaub schnell verdorben. Statt einer von der Versicherung oder dem Automobilclub gedeckten Serviceleistung erwartet die Autofahrer eine Rechnung über 3.000 bis 3.500 Euro – und das oft noch in bar. Obendrein werden zusätzliche „Leistungen“ in Rechnung gestellt: Fahrzeugaufbewahrung, Reinigung, Verwaltungsaufwand. Alles natürlich ohne vertragliche Grundlage, ohne Beleg – dafür mit Nachdruck.

Versicherungen übernehmen solche Kosten nicht. Denn der angebliche Helfer war nie autorisiert. Wer sich weigert zu zahlen, wird mit der Nicht-Herausgabe des Fahrzeugs und sogar Einschüchterungen unter Druck gesetzt.

Hotspots der Abzocke

Besonders betroffen sind Ballungsräume wie die Île-de-France. Hier haben die Behörden inzwischen reagiert. In den Départements Val-d’Oise und Val-de-Marne wurden Verordnungen erlassen, um dem unseriösen Treiben Einhalt zu gebieten. Falsche Abschleppfahrzeuge können beschlagnahmt, Betreiber mit bis zu 1.500 Euro Bußgeld belegt werden. Andere Regionen prüfen ähnliche Maßnahmen.

Trotzdem bleibt das Phänomen schwer zu kontrollieren – zu mobil sind die Täter, zu groß der Nachschub an neuen Opfern, sobald die Urlaubssaison startet.

Was tun im Pannenfall?

Die gute Nachricht: Wer vorbereitet ist, kann sich schützen. Fünf einfache Grundregeln helfen, im Ernstfall kühlen Kopf zu bewahren:

  1. Immer zuerst die Versicherung oder den Automobilclub kontaktieren. Wer liegen bleibt, sollte nicht nach dem nächstbesten Retter winken, sondern direkt den Versicherer oder Automobilclub anrufen. Nur so lässt sich der Kontakt zu einem autorisierten Partner herstellen.
  2. Identität prüfen. Jeder offizielle Abschleppdienst hat einen Nachweis – etwa eine Einsatzbestätigung oder einen Mitarbeiterausweis. Diese Angaben mit den Informationen der Versicherung abgleichen!
  3. Misstrauen bei Blitz-Einsätzen. Wenn ein Abschleppdienst schneller da ist als die eigene Anrufzeit, ist höchste Vorsicht geboten. Kein offizieller Helfer erscheint ohne vorherigen Auftrag.
  4. Nicht unter Druck setzen lassen. Niemand ist verpflichtet, eine nicht autorisierte Hilfeleistung anzunehmen. Wer sich unsicher ist, sollte freundlich, aber bestimmt ablehnen – und auf den offiziellen Partner warten.
  5. Auffälliges Verhalten melden. Wer Opfer eines Betrugs wird oder eine verdächtige Situation beobachtet, sollte sofort Polizei und Versicherung informieren. Je schneller reagiert wird, desto eher kann geholfen werden.

Warum gerade jetzt?

Die Welle der betrügerischen Einsätze kommt nicht von ungefähr. Urlaubszeiten bieten perfekte Bedingungen: Viele Reisende, viel Hektik, wenig Überblick. Der Stress einer Panne auf der Autobahn im Ausland macht empfänglich für jede Art vermeintlicher Unterstützung.

Hinzu kommt: Moderne Technik spielt den Betrügern in die Hände. Die Sichtbarkeit über Apps wie Waze, die Freude und Erleichterung über schnelle Hilfe und die Annahme, dass ein Helfer in Firmenuniform stets legitim sei, schaffen eine Illusion von Sicherheit, die teuer werden kann.

Ein strukturelles Problem

Was wie ein lokales Ärgernis erscheint, offenbart bei näherem Hinsehen ein größeres Problem: mangelnde digitale Sicherheitsmechanismen in Echtzeit-Apps, unzureichende Kontrolle von Abschleppdiensten und eine gewisse Naivität vieler Verbraucher im Umgang mit professionell auftretenden Kriminellen.

Die Politik ist gefordert, gesetzliche Standards zu setzen – für digitale Transparenz genauso wie für die Lizenzierung von Pannenhelfern. Gleichzeitig braucht es mehr Aufklärung: in Fahrschulen, durch Automobilclubs, in den Medien.

Der Weg zurück zur Sicherheit

Ein positives Signal: Erste Präventionskampagnen zeigen Wirkung. Immer mehr Menschen berichten von verdächtigen Vorfällen, immer mehr Versicherer sensibilisieren ihre Kunden gezielt vor Urlaubsantritt. Auch die Zusammenarbeit zwischen Polizei, Gemeinden und Verbraucherzentralen nimmt zu.

Dennoch bleibt es ein Wettlauf gegen findige Betrüger. Die Devise lautet: vorbereitet reisen, nicht blind vertrauen – und im Zweifel lieber länger auf echte Hilfe warten, als einem falschen Helfer Tür und Tor zu öffnen.

Denn der schönste Urlaub beginnt nicht mit einem Abschleppseil, sondern mit einem Gefühl der Sicherheit.

Autor: Andreas M. Brucker

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