Es rumst, Steine poltern, Staub wirbelt auf – und plötzlich ist ein Stück der Küste verschwunden. Genau das ist am vergangenen Samstag in Port-en-Bessin-Huppain, einem malerischen Küstenort in der Normandie, passiert. Ein Teil der Steilküste hat nachgegeben und ist in die Tiefe gestürzt. Die Folge: Die betroffene Strandzone bleibt auf unbestimmte Zeit gesperrt.
Doch ist das wirklich eine Überraschung?
Wenn Felsen ins Rutschen kommen
„Das ist ein instabiler Bereich“, sagt Christophe Van Roye, der Bürgermeister der Gemeinde. „Hier gab es schon vor vier Jahren einen kleinen Felssturz.“ Diesmal war es aber mehr als nur ein bisschen Gekrümel. Eine größere Partie der Klippe nahe der historischen Tour Vauban hat sich gelöst und eine breite Schneise in die Landschaft geschlagen.
Die Ursache? Eine klassische Mischung aus natürlichen Kräften.
„Wir hatten eine Phase mit extrem viel Niederschlag, dann kam Frost, dann wieder Tauwetter – das bringt Bewegung in den Fels“, erklärt Van Roye. Und das sei erst der Anfang. Denn die Erosion macht keine Pause, und der Klimawandel gibt ihr noch einen Extraschub.
Klimawandel und Küstenerosion: Eine unaufhaltsame Dynamik?
Die Normandie ist kein Einzelfall. Küsten weltweit kämpfen mit ähnlichen Problemen. Stärkere Stürme, steigende Meeresspiegel, mehr Regen – all das setzt den Klippen zu. Prognosen des Weltklimarates (IPCC) gehen davon aus, dass der Meeresspiegel bis 2100 um einen Meter steigen könnte. Klingt nach wenig? Ein Meter reicht aus, um ganze Strände zu verschlucken und Steilküsten ins Wanken zu bringen.
Van Roye ist sich dessen bewusst: „Wir müssen uns anpassen. Wir können nicht alles stabilisieren – manchmal muss man einfach die Natur machen lassen.“
Abwarten oder handeln?
Hier zeigt sich ein Dilemma, das nicht nur Port-en-Bessin betrifft: Soll man versuchen, Küsten durch Mauern, Beton und Ingenieurkunst zu retten – oder den Rückzug antreten? Die Niederlande setzen zum Beispiel auf massive Deiche, während Großbritannien an vielen Stellen eine kontrollierte Rückverlagerung betreibt. Das bedeutet: Häuser werden aufgegeben, Küstenlinien neu gedacht.
Van Roye scheint sich für Letzteres zu entscheiden. „Wie schützen wir uns? Wie verlagern wir uns? Das sind die Fragen, mit denen wir uns befassen müssen.“
Kein Einzelfall – eine Zukunftsfrage
Der Fall von Port-en-Bessin zeigt: Küstenstädte werden sich in den kommenden Jahrzehnten zunehmend mit den Auswirkungen des Klimawandels auseinandersetzen müssen. Die Natur fordert sich ihren Raum zurück – und sie wird ihn bekommen.
Von Andreas M. B.
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