Tag & Nacht

„Es sollten die schönsten Jahre des Lebens sein – die Studienzeit. Doch was wir derzeit in Frankreich sehen, sind Studierende, die sich isolieren, schuften und nicht wissen, wie sie ihre nächste Mahlzeit bezahlen sollen“, so die eindringliche Warnung von Maëlle Nizan, Präsidentin der FAGE (Fédération des associations générales étudiantes). Die Organisation veröffentlichte am 4. September 2024 ihren jährlichen Bericht über die steigenden Kosten des Universitätslebens in Frankreich, und die Zahlen sind alarmierend.

Die Kosten für den Studienbeginn im September 2024 belaufen sich für nicht-bafögberechtigte Studierende auf 3.157,01 Euro. Für Studierende aus Übersee sind es sogar 4.394,75 Euro. Das bedeutet eine Steigerung von 85,69 Euro im Vergleich zum Vorjahr – eine Erhöhung von 3,79 %. Der größte Ausgabeposten bleibt die Miete, die fast die Hälfte der Lebenshaltungskosten ausmacht. Während Studierende in den Regionen im Schnitt 520 Euro für eine Wohnung zahlen, sind es in der Île-de-France stolze 688 Euro.

Die wachsende finanzielle Belastung

Die FAGE macht klar: Die Situation für Studierende ist nicht mehr tragbar. „Besonders betroffen sind die sogenannten ‚Nicht-Bafög-Empfänger‘ aus den unteren Mittelschichten, die weder Anspruch auf staatliche Unterstützung haben noch von ihren Eltern ausreichend unterstützt werden können“, erklärt Nizan. „Diese jungen Menschen stehen unter enormem Druck. Viele greifen auf Lebensmittelspenden zurück und besuchen unsere sozialen und solidarischen Lebensmittelmärkte. Sie machen mittlerweile 75 % der Hilfesuchenden aus.“

Man spricht inzwischen offen von einer „verdeckten Armut“ unter Studierenden – ein Begriff, der das Problem auf den Punkt bringt. Die finanziellen Herausforderungen werden so groß, dass sie sich auf alle Lebensbereiche der Betroffenen auswirken: Es fehlt nicht nur an Geld, sondern auch an Zeit und Energie, um sich dem Studium zu widmen. Man fragt sich: Wie soll man lernen, wenn man nicht weiß, ob man morgen noch genug zu essen hat?

Forderungen nach einer Reform des Bafög-Systems

Die FAGE fordert, dass die Zahl der Bafög-Empfänger deutlich auf eine Million erhöht wird. Bisher erhalten etwa 750.000 Studierende Unterstützung. Diese Erweiterung würde es ermöglichen, auch Studierende aus den unteren Mittelschichten in das Bafög-System aufzunehmen, die bisher durch das Raster fallen. „Die Bafög-Grenzen müssen überarbeitet werden, damit mehr Studierende Anspruch auf finanzielle Unterstützung haben“, so Nizan.

Zudem wird die „sofortige Einführung“ des Ein-Euro-Essens für alle Studierenden gefordert. Dieses Programm, das bislang nur bedürftigen Studierenden zugutekommt, soll laut FAGE auf die gesamte Studierendenschaft ausgeweitet werden. Dies wäre eine einfache und effektive Maßnahme, um die finanzielle Belastung vieler zu verringern.

Die unerträgliche Last der Wohnkosten

Eine der größten Herausforderungen bleibt jedoch die Wohnsituation. In vielen Städten Frankreichs sind die Mietpreise in den letzten Jahren drastisch gestiegen. Besonders Studierende in Paris und Umgebung spüren diesen Druck. Mit 688 Euro im Monat für eine Wohnung in der Hauptstadt bleibt Studierenden oft kaum noch etwas für andere Ausgaben. Die Mietpreise in den Regionen liegen zwar etwas niedriger, doch auch hier gibt es kaum Entlastung.

Die Wohnungsnot und die steigenden Kosten führen dazu, dass immer mehr Studierende auf günstige Wohnformen angewiesen sind – von WG-Zimmern bis hin zu Schlafplätzen in sozialen Einrichtungen. Doch auch diese Alternativen sind begrenzt und oft überlaufen.

Arbeiten, um zu überleben

Um diese finanziellen Hürden zu überwinden, arbeiten viele Studierende neben ihrem Studium. Doch auch das hat seine Grenzen. „Viele unserer Studierenden arbeiten, um über die Runden zu kommen. Doch das Problem ist, dass diese Arbeit oft auf Kosten ihrer Ausbildung geht“, so die Präsidentin der FAGE. Die Doppelbelastung von Arbeit und Studium führt bei vielen zu Stress, Überforderung und einem erhöhten Risiko, das Studium abzubrechen.

Studierende, die arbeiten müssen, berichten immer häufiger, dass sie sich von ihrem sozialen Umfeld isolieren. Es bleibt schlichtweg keine Zeit mehr für Freundschaften oder Freizeitaktivitäten. Viele ziehen sich zurück – nicht aus freien Stücken, sondern aus purem Überlebenswillen.

Aufruf zur Solidarität

Die Situation der Studierenden ist alarmierend und zeigt, dass dringend gehandelt werden muss. Die FAGE fordert nicht nur den Staat, sondern auch die Gesellschaft auf, solidarisch zu sein und sich der schwierigen Lage bewusst zu werden, in der sich viele junge Menschen befinden. Es reicht nicht, mit dem Finger auf die Statistik zu zeigen – es müssen Lösungen her, die nachhaltig und fair sind.

Es stellt sich die Frage: Wie kann es sein, dass die Ausbildung, die eigentlich der Schlüssel zur Zukunft sein sollte, für so viele zur Bürde wird? Um diese Entwicklung zu stoppen, braucht es eine umfassende Reform – angefangen bei der Erhöhung der Bafög-Zahlungen bis hin zur Sicherstellung bezahlbarer Wohnmöglichkeiten für Studierende.

Fazit? Nein, eine Forderung nach Wandel

Diese Situation muss enden. Studierende verdienen es, sich auf ihre Ausbildung konzentrieren zu können, ohne sich Sorgen um ihre nächste Mahlzeit oder die Miete machen zu müssen. „Wir brauchen konkrete Maßnahmen – und zwar sofort“, fordert Nizan. Die Stimmen der Studierenden dürfen nicht länger überhört werden.


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