Frankreichs Ansehen in Fragen der Korruptionsbekämpfung hat einen dramatischen Rückschlag erlitten. Im neuesten Korruptionswahrnehmungsindex 2024 von Transparency International verliert das Land fünf Plätze und rutscht auf Rang 25 ab. Diese Entwicklung ist nicht nur ein statistischer Wert, sondern ein besorgniserregendes Symptom für tiefere strukturelle Probleme im politischen System der Republik. Die wachsende Zahl von Korruptionsvorwürfen gegen hochrangige Regierungsmitglieder, die mangelnde Transparenz in der Parteienfinanzierung und eine offensichtlich nachlassende Bereitschaft, gegen Integritätsverstöße vorzugehen, deuten auf eine institutionelle Krise hin.
Ein Klima der Straflosigkeit
Seit 2017 wurden 26 Minister in politische und juristische Affären verwickelt. Die jüngsten Ermittlungen gegen hochrangige Regierungsmitglieder wie Alexis Kohler und Rachida Dati verstärken den Eindruck, dass die einst hochgehaltenen Prinzipien von Transparenz und Vorbildlichkeit erodieren. Noch 2017 hatte Präsident Emmanuel Macron versprochen, dass jeder Minister, gegen den ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird, sofort zurücktreten müsse. Dieses Versprechen wurde inzwischen stillschweigend aufgegeben. Der Eindruck, dass politische Eliten ungestraft handeln können, trägt zur Politikverdrossenheit in der Bevölkerung bei und untergräbt das Vertrauen in die Institutionen der Republik.
Zweifelhafte Parteienfinanzierung
Besonders heikel ist die Frage der Parteien- und Wahlkampffinanzierung. Der laufende Prozess um mögliche libysche Finanzierungen der Präsidentschaftskampagne 2007 sowie die kürzlich eingeleiteten Ermittlungen zur Finanzierung der Wahlkampagnen Macrons in den Jahren 2017 und 2022 werfen ein Schlaglicht auf bestehende Missstände. Politische Mandate dürfen nicht durch intransparente Finanzströme erkauft werden, und doch scheint die französische Politik immer wieder an diesem Ideal zu scheitern.
Die Verzögerung bei der Verlängerung der Akkreditierung der Anti-Korruptionsorganisation Anticor im Jahr 2024 verstärkt den Verdacht, dass kritische Kontrollinstanzen bewusst geschwächt werden. Gerade in einem politischen Umfeld, in dem das Vertrauen in die Integrität der Regierenden ohnehin schwindet, sind solche Entscheidungen fatal.
Versagen über Parteigrenzen hinweg
Transparency International hebt hervor, dass die Defizite in der Korruptionsbekämpfung nicht nur ein Problem der aktuellen Regierung sind. Vielmehr herrscht seit Jahren ein parteiübergreifender Mangel an politischem Willen, effektiv gegen Korruption vorzugehen. Weder linke noch rechte Regierungen haben es in den vergangenen Jahrzehnten vermocht, die notwendigen Reformen einzuleiten. Die Frage drängt sich auf: Ist es politische Bequemlichkeit oder gar Kalkül, dass keine durchgreifenden Maßnahmen ergriffen werden?
Dringender Handlungsbedarf
Um dem Trend entgegenzuwirken, müssen konkrete Reformen auf den Weg gebracht werden. Es bedarf einer gesetzlich verankerten Offenlegungspflicht für Treffen zwischen Politikern und Lobbyisten. Die Überwachung von Parteispenden und Wahlkampffinanzierung muss verstärkt und durch eine unabhängige Instanz kontinuierlich kontrolliert werden. Darüber hinaus braucht die Nationale Finanzstaatsanwaltschaft mehr Ressourcen, um Korruptionsfälle effektiv verfolgen zu können.
Wenn Frankreich seinen Status als stabile Demokratie bewahren will, darf es sich nicht länger mit der aktuellen Situation abfinden. Der Verlust an Vertrauen in die Politik und die zunehmende Skepsis gegenüber den Institutionen könnten sonst weitreichende Folgen haben – nicht nur für die Regierung, sondern für die gesamte Gesellschaft.
Von Andreas Brucker
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