Frankreich ist in Aufruhr – nicht nur wegen der jüngsten Überschwemmungen, sondern auch wegen des Klimawandels, der unaufhaltsam voranschreitet. Am 25. Oktober 2024 stellte Premierminister Michel Barnier, begleitet von seiner Umweltministerin Agnès Pannier-Runacher, den neuen Plan national d’adaptation au changement climatique (Pnacc) vor, einen Fahrplan, der Frankreich auf eine drastische Temperaturerhöhung von bis zu 4°C bis zum Ende des Jahrhunderts vorbereiten soll. Was bedeutet das genau? Ein Hitzesommer wie der von 2022 könnte dann als „kühl“ empfunden werden. Klingt verrückt, oder?
Dieser Plan, in seiner dritten Version, ist eine Antwort auf die düstere Klimaprognose und stellt klar: Anpassung heißt nicht Kapitulation. Es geht darum, sich auf das Unvermeidliche vorzubereiten und gleichzeitig zu versuchen, das Leben für die kommende Generation lebenswert zu gestalten. Hier werfen wir einen genaueren Blick auf die fünf zentralen Säulen des Plans und die insgesamt 51 Maßnahmen, die das Land auf diese Herausforderungen vorbereiten sollen.
+4°C bis 2100 – eine neue Realität für Frankreich
Die Zahlen sind beunruhigend, um es gelinde auszudrücken. Der letzte Plan aus dem Jahr 2018 ging noch von einem Temperaturanstieg um 1,5 bis 2°C bis 2100 aus. Doch inzwischen hat sich die Lage verschärft. Frankreich bereitet sich nun auf einen Anstieg von 4°C bis zum Ende des Jahrhunderts vor, was weitreichende Auswirkungen auf das tägliche Leben, die Umwelt und die Wirtschaft haben wird. Dabei wird nicht nur der Blick auf das Jahr 2100 geworfen, sondern auch auf Zwischenziele: Bis 2050 wird eine Erwärmung um 2,7°C erwartet.
Was das konkret bedeutet? Extreme Trockenheit, die sich laut den Prognosen bis 2030 im Vergleich zu den 1960er Jahren verdreifachen und bis 2100 sogar vervierfachen könnte. Und das ist nur ein Aspekt. Die Gletscher der Alpen werden bis dahin vollständig verschwinden, und der Sommer 2022, der uns als einer der bisher heißesten in Erinnerung bleibt, könnte dann als „kühler Sommer“ gelten. Klingt absurd, nicht wahr?
Was tun wir gegen diese glühende Hitze? Die Anpassung der Wohnungen und der Schutz gefährdeter Bevölkerungsgruppen vor extremer Hitze steht weit oben auf der Prioritätenliste des neuen Plans. Der Wohnungsbau muss sich den neuen klimatischen Bedingungen anpassen – Maßnahmen zur Isolierung, Kühlung und Umgestaltung werden daher ein zentraler Bestandteil künftiger Bauvorschriften sein.
Sichere Infrastrukturen in unsicheren Zeiten
Ein weiteres Hauptziel des Plans ist es, die Verwundbarkeit öffentlicher Infrastrukturen zu bewerten und zu minimieren. Besonders kritisch sind dabei Krankenhäuser, Transportwege und sicherheitsrelevante Einrichtungen wie Feuerwachen oder Stromnetze. Hier setzt die Regierung auf eine detaillierte Kartografie, die genau aufzeigt, wo und wie stark welche Anlagen gefährdet sind. Diese Kartierung ist ein wesentlicher Schritt, um die nötigen Anpassungen zu planen und durchzuführen.
Zum Beispiel wird der Energieversorger EDF bis 2025 eine Untersuchung zur Klimaanfälligkeit seiner Kernkraftwerke durchführen müssen, um sicherzustellen, dass diese auch bei extremer Hitze oder anderen klimabedingten Herausforderungen weiterhin sicher betrieben werden können. Aber – und das gibt die Regierung offen zu – es wird dauern. Allein im Gesundheitsbereich gibt es Tausende von Einrichtungen, die auf ihre Tauglichkeit für das kommende Klima überprüft werden müssen. Es bleibt also eine Mammutaufgabe.
Versicherungen für alle – auch in Risikozonen
Wir alle wissen: Wo das Risiko steigt, steigen auch die Kosten. Besonders in Gebieten, die von häufigeren Überschwemmungen, Waldbränden oder Hitzewellen betroffen sind, könnten sich die Versicherungsprämien drastisch erhöhen. Doch das will die Regierung nicht hinnehmen. Ziel ist es, auch in den am stärksten betroffenen Regionen erschwingliche Versicherungen zu garantieren.
Bis 2027 soll eine nationale Risiko-Karte veröffentlicht werden, die das gesamte Land auf potenzielle Naturgefahren hin bewertet. Diese Karte wird die Grundlage für die Bemühungen sein, faire und erschwingliche Versicherungslösungen zu entwickeln. Die Details sind zwar noch vage, aber die Schaffung eines Observatoriums für Klimarisiken soll Transparenz in die Entwicklungen und Maßnahmen bringen. Jährliche Berichte werden zeigen, wie sich das Versicherungswesen anpasst und welche weiteren Schritte notwendig sind, um niemanden im Regen stehen zu lassen – wortwörtlich.
Eine Stimme für alle: Bürgerbeteiligung als Schlüssel
Aber wie wird der Plan tatsächlich umgesetzt? Der Pnacc setzt stark auf Bürgerbeteiligung. Seit dem 25. Oktober können alle Bürger auf einer speziellen Plattform ihre Meinung zu den Maßnahmen abgeben. Dort werden 20 Fragen gestellt, die eine offene Diskussion ermöglichen. Jeder, der sich beteiligen möchte, kann eigene Vorschläge einreichen – denn, so der Premierminister: „Die guten Ideen kommen von überall her.“
Diese Bürgerbeteiligung wird zwei Monate dauern, und die Regierung hat sich verpflichtet, die Vorschläge sorgfältig zu prüfen und zu berücksichtigen. Es geht nicht nur darum, Informationen zu liefern, sondern auch darum, gemeinsam Lösungen zu finden, die für die gesamte Gesellschaft funktionieren. Doch wie viele Menschen werden sich wirklich beteiligen? Werden ihre Vorschläge den Unterschied machen?
Klimawandel – ein globales Problem mit lokalen Lösungen
Eines wird immer klarer: Der Klimawandel ist kein Zukunftsthema mehr, sondern bereits heute spürbar. Die Durchschnittstemperatur auf der Erde ist seit dem 19. Jahrhundert um 1,1°C gestiegen – ein Wert, der auf den ersten Blick vielleicht nicht alarmierend erscheint, aber die Geschwindigkeit, mit der dies passiert, ist beispiellos. Die Menschheit ist der Hauptverursacher, hauptsächlich durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe wie Kohle, Öl und Gas. Die Auswirkungen dieses schnellen Wandels betreffen nicht nur die Natur, sondern auch die Lebensgrundlagen vieler Menschen.
Frankreich geht jedoch mit einem Hoffnungsschimmer in die Zukunft. Der Pnacc ist keine Kapitulation vor dem Unvermeidlichen, sondern ein Versuch, die besten Lösungen zu finden und die schlimmsten Auswirkungen zu mildern. Erneuerbare Energien, sparsamer Ressourcenverbrauch und der Wechsel zu pflanzenbasierten Ernährungsweisen gehören zu den klaren Lösungen, die im Plan angesprochen werden. Es geht nicht nur darum, sich anzupassen, sondern auch darum, den eigenen ökologischen Fußabdruck zu verkleinern.
Fazit: Wir können nicht abwarten – der Handlungsdruck ist hoch
Der Pnacc markiert einen Wendepunkt in der Art und Weise, wie Frankreich mit dem Klimawandel umgeht. Er betont die Notwendigkeit, sofort zu handeln, um die Infrastruktur, die Bevölkerung und die Umwelt vor den kommenden Veränderungen zu schützen. Der Fahrplan mit seinen 51 Maßnahmen ist ein wichtiger Schritt, doch die eigentliche Herausforderung liegt darin, diese Pläne in die Realität umzusetzen und sicherzustellen, dass niemand zurückgelassen wird.
Die nächsten Jahrzehnte werden entscheidend sein, um zu sehen, ob Frankreichs Ansatz erfolgreich sein wird – oder ob wir noch größere Anpassungen vornehmen müssen. Eines ist jedoch sicher: Der Klimawandel erlaubt keine Geduld.
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