Ein ungewöhnlicher Wetterumschwung zwischen Puderzucker und Wetterwarnung
Wer hätte das gedacht? Während in weiten Teilen Europas schon die ersten Biergärten öffnen und Tulpen blühen, versinkt die Savoie in Schnee – und das mitten im April. Was nach einer Szene aus einem romantischen Winterfilm klingt, ist in den französischen Alpen gerade Realität.
Weiße Pracht statt Frühlingsgrün
Seit Wochen herrscht offiziell Frühling. Und dennoch fielen Anfang dieser Woche dicke Schneeflocken vom Himmel – in Mengen, die selbst eingefleischte Einheimische staunen lassen. Ab einer Höhe von 800 Metern türmen sich inzwischen zwischen 10 und 20 Zentimeter Neuschnee. In höheren Lagen, wie rund um Tignes, sind es sogar bis zu 30 Zentimeter.
Klingt märchenhaft? Ist es auch. Aber nicht ganz ohne Haken.
Wenn der Frühling friert
Zwar sind Schneefälle im April in den Alpen nichts völlig Ungewöhnliches – doch diese Intensität und die geografische Ausdehnung geben dem Ganzen eine besondere Note. Schon ab rund 1550 Metern war in Tignes Schneefall zu beobachten – eine Höhe, auf der um diese Zeit normalerweise Wiesen grünen und Wanderer unterwegs sind.
Doch nicht dieses Jahr. Dieses Jahr bringt der April den Winter zurück – mit Pauken, Trompeten und ordentlich Neuschnee.
Verkehrschaos, Stromausfälle und Lawinengefahr
So schön der Anblick auch ist – die Kehrseite lässt nicht lange auf sich warten. In der Savoie waren rund 4.000 Haushalte zeitweise ohne Strom, und auf mehreren Straßenabschnitten kam der Verkehr ins Stocken. Die RN 205 Richtung Chamonix? Eher eine Rutschpartie als ein Highway. Auch die Züge des TER-Netzes waren langsamer unterwegs als gewohnt.
Besonders ernst ist die Lage in den Bergen. Der Lawinenwarndienst hält an der Warnstufe Orange fest – mindestens bis heute Mittag. Die Behörden warnen eindringlich vor Skitouren abseits der markierten Pisten. Wer da trotzdem rausgeht, spielt mit dem Leben.
Und jetzt mal ehrlich: Muss das sein?
Freudensprünge auf Brettern
Doch wo es Verlierer gibt, da gibt’s auch Gewinner. Für die Skigebiete sind die Schneemassen ein Jackpot zum Saisonende. In Les Arcs oder Tignes freuen sich die Betreiber über teils mehr als zwei Meter Schnee im oberen Skigebiet. Die Lifte laufen – und zwar auf Hochtouren.
Der unerwartete Schneesegen verlängert die Saison und beschert den Betreibern volle Hotels, Cafés und Skischulen. Für viele Touristen wird der Frühlingsurlaub plötzlich zur spontanen Winterwoche. Ein verspäteter Wintertraum – oder eher eine gut getarnte zweite Chance?
Natur zeigt, wer das letzte Wort hat
Solche Wetterkapriolen erinnern uns daran, wie unberechenbar das Klima in den Alpen sein kann. Nur weil der Kalender Frühling sagt, heißt das nicht, dass sich die Natur daran hält. Gerade im Gebirge gilt: Wetterberichte checken, Ausrüstung anpassen – und immer ein Plan B in der Tasche.
Es braucht nicht viel, und eine idyllische Wanderung kann zur gefährlichen Expedition werden. Sicherheit geht vor. Immer.
Zwischen Staunen und Stirnrunzeln
Was bleibt, ist ein Gefühl von Staunen – und ein bisschen Respekt. Denn wenn Schneeflocken im April die Bergdörfer bedecken, die Luft nach Winter riecht und die Welt wieder langsamer wird, dann merkt man: Natur kennt keine festen Abläufe. Und das ist vielleicht auch gut so.
Ein Spaziergang durch die verschneiten Gassen von Bourg-Saint-Maurice fühlt sich plötzlich magisch an. Als hätte der Frühling einen kleinen Winterschlaf eingelegt, nur um später umso kräftiger zurückzukommen.
Von Andreas M. B.
Abonniere einfach den Newsletter unserer Chefredaktion!