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Nizza gedenkt der Opfer des dschihadistischen Anschlags, bei dem 2016 auf der Promenade des Anglais 86 Menschen getötet wurden, unter den trauernden Menschen ist auch Premierminister Jean Castex. Fünf Jahre später berichten die Opferverbände von ihrer Trauer und von Verletzten, deren Gesundheitszustand noch immer nicht „stabilisiert“ ist.

Sechsundachtzig Tote und 206 Verwundete aller Altersgruppen und Nationalitäten, eine beispiellose Gewalt „wie ein Schneepflug, der Leichen hinter sich lässt“, so ein Zeuge. Fünf Jahre später gedenkt Nizza am Mittwoch, dem 14. Juli, des dschihadistischen Anschlags auf der Promenade des Anglais.

Am 14. Juli 2016, dem Abend des französischen Nationalfeiertags, hatten sich rund 30.000 Menschen an der Strandpromenade am Rande der Baie des Anges zum traditionellen Feuerwerk versammelt.

In diese Menge fuhr Mohamed Lahouaiej-Bouhlel, ein in Nizza lebender Tunesier, mit einem 19-Tonnen-LKW und mähte zwei Minuten lang Dutzende von Menschen nieder, bevor die Polizei ihn erschoss.

Zu dem Anschlag hatte sich die Dschihadistengruppe „Islamischer Staat“ bekannt, die zu diesem Zeitpunkt große Gebiete im Irak und in Syrien kontrollierte, obwohl die Ermittlungen keine direkte Verbindung zwischen der ultra-radikalen Organisation und dem Täter bestätigen konnten.

Premierminister Jean Castex, begleitet u.a. von Justizminister Eric Dupond-Moretti und der für die Staatsbürgerschaft zuständigen Ministerin Marlene Schiappa, wird an der Ehrung um 16 Uhr in der Villa Massena, nahe der Promenade des Anglais, teilnehmen.

An seiner Seite wird auch Nizzas Bürgermeister Christian Estrosi sein, der noch am Morgen in Paris sein wird, um „seine“ Stadtpolizei bei der großen Parade marschieren zu sehen – eine Hommage an ihr Einschreiten bei einem Anschlag, der im vergangenen Oktober drei Menschen in der Basilika Nizzas das Leben kostete und die Stadt nochmals in Angst und Schrecken versetzte.

Die Gedenkzeremonie wird nach den Wünschen der Familien der Opfer nüchtern und intim sein und mit der Freilassung von 86 Tauben ihren Höhepunkt finden. Für den Abend ist ein Gedenk-Konzert geplant, nach dem genau um 22:34 Uhr, dem Zeitpunkt des Anschlags, 86 Lichtbalken auf der Strandpromenade entzündet werden.

Für viele Angehörige von Opfern ist es immer noch unmöglich, zu trauern und mit dem Verlust abzuschliessen. Mehrere Eltern konnten erst im vergangenen Jahr die ihren Kindern zur Autopsie entnommenen und von den Gerichten versiegelten Organe zurückerhalten. Einige bestreiten die Echtheit der Organe und haben die Angelegenheit an einen Menschenrechtsanwalt weitergeleitet, nachdem eine DNA-Analyse abgelehnt wurde.

Einige Opfer sind noch nicht entschädigt worden. Bis zum 5. Juli wurde nur 85% der 2.429 direkten oder indirekten vom Opfer-Garantiefonds (FGTI) identifizierten Opfer ein endgültiges Entschädigungsangebot unterbreitet, insgesamt wurden 83 Millionen Euro ausgezahlt.

Bei den verbleibenden 15% handelt es sich „größtenteils um Personen, deren Gesundheitszustand sich noch nicht stabilisiert hat“, stellt der FGTI fest: Es sei daher unmöglich, den Schaden abzuschätzen, fügt die Organisation hinzu, die diesen 360 Personen in der Zwischenzeit eine finanzielle Unterstützung als Überbrückung zahlt.

Fünf Jahre nach dem Anschlag werden im Lenval-Krankenhaus in Nizza immer noch 300 Kinder wegen des erlittenen Psychotraumas behandelt. Manche haben hartnäckige Phobien: „Angst vor Lastwagen, Menschenmengen, Böllern, Feuerwerkskörpern oder ganz klassisch die Angst vor der Dunkelheit, die aber auch bei 17-, 18- oder sogar 20-Jährigen noch vorhanden ist“, beschreibt Morgane Gindt, eine forensische Psychologin.

Zwei Angeklagte wurden aus prozessualen Gründen freigelassen

Zusätzlich zu den 86 getöteten und 206 körperlich verletzten Opfern hat die FGTI insgesamt 1.683 psychisch Verletzte identifiziert.

Letzten Monat setzte das Gericht einen Verhandlungstermin für diejenigen fest, die verdächtigt werden, Mohamed Lahouaiej-Bouhlel geholfen zu haben. In Paris werden vom 5. September bis 15. November 2022 acht Personen vor Gericht stehen, darunter drei wegen Bildung einer „kriminellen terroristischen Vereinigung“.

So sehr sich die Zivilparteien (mehr als 850) und ihre Anwälte auch über den Prozess freuen, so sehr bedauern sie, dass zwei der Angeklagten im November aufgrund eines Verfahrensfehlers freigelassen wurden.

Mehrere Opfer bedauern die Langsamkeit der in Nizza geführten Ermittlungen wegen „fahrlässiger Körperverletzung und Totschlags“ in Bezug auf die an diesem Abend eingesetzten Sicherheitsvorkehrungen.

Im Mittelpunkt der Fragen vor allem: Die lange Amokfahrt des LKWs und die Tatsache, ob er durch den Einbau von Betonbarrieren oder Pflanzgefäßen hätte verändert oder gar gestoppt werden können.


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