Drei Monate nachdem Benjamin Netanyahu den US-Präsidenten als den „größten Freund, den Israel je im Weißen Haus hatte“ pries, wird das Verhältnis der beiden Staatsmänner auf eine ernste Probe gestellt. Wenn sich der israelische Premierminister und Donald Trump an diesem Montag im exklusiven Mar-a-Lago-Resort in Florida begegnen, prallen zwei politische Realitäten aufeinander: Auf der einen Seite ein zunehmend isolierter israelischer Regierungschef, der auf militärische Stärke und Abschreckung setzt. Auf der anderen ein US-Präsident, der sich als Architekt eines neuen Nahostfriedens inszeniert – und von Jerusalem mehr diplomatische Disziplin verlangt.
Ein schwieriges Wiedersehen
Das Treffen ist das sechste im laufenden Jahr – und das bislang brisanteste. Denn trotz demonstrativer Nähe in der Vergangenheit haben sich die Positionen von Netanyahu und Trump zuletzt deutlich auseinanderentwickelt. Vor allem die Umsetzung der Gaza-Vereinbarung, die Trump im Sommer als „neue Morgendämmerung“ für den Nahen Osten gefeiert hatte, stockt. Während die erste Phase des Abkommens – ein Waffenstillstand und humanitäre Hilfen – weitgehend umgesetzt wurde, steht die zweite, politisch weitaus sensiblere Etappe unter Druck.
Israel lehnt bislang eine weitergehende Truppenreduzierung in Gaza ab, solange Hamas nicht vollständig entwaffnet ist. Netanyahu will erst klare militärische Garantien sehen, bevor er seine Zustimmung zu einem internationalen Stabilisierungskorps oder einer von Technokraten geführten Übergangsverwaltung für Gaza gibt – zwei zentrale Elemente des US-Plans. Dass ausgerechnet die Türkei als mögliche Entsendemacht für diese internationale Truppe im Gespräch ist, sorgt in Jerusalem für zusätzliche Skepsis.
Militärische Alleingänge und politische Irritationen
Hinzu kommen Irritationen über israelische Militäraktionen, die nach Trumps Lesart den Friedensprozess unterminieren. Bereits im September verärgerte Israel den US-Präsidenten mit einem Luftangriff auf Hamas-Unterhändler in Katar – mitten in laufenden Verhandlungen. Trump zwang Netanyahu öffentlich zu einer Entschuldigung, begleitet von ungewöhnlich harschen Tönen aus Washington. Auch jüngste Luftschläge gegen Ziele im Gazastreifen, trotz geltender Waffenruhe, stoßen auf Ablehnung im Weißen Haus.
Noch deutlicher wird die Divergenz in der Iran-Politik. Netanyahu drängt auf ein gemeinsames militärisches Vorgehen gegen Teherans ballistische Raketenkapazitäten und verweist auf Israels Beteiligung an früheren Schlägen gegen iranische Nuklearanlagen. Doch Trump, der die zwölf Tage dauernde Eskalation zwischen Israel und Iran im Juni für beendet erklärte und auf diplomatische Entspannung setzt, will vorerst neue Gespräche mit Teheran ermöglichen – und verweist darauf, dass der Iran „militärisch schwer geschwächt“ sei.
Libanon, Syrien – und Amerikas rote Linien
Auch im Libanon und in Syrien knirscht es zwischen den beiden Partnern. Während Israel nahezu täglich Stellungen der Hisbollah im Südlibanon bombardiert – trotz eines brüchigen Waffenstillstands –, wächst in Washington die Sorge vor einer erneuten Regionaleskalation. Trumps Beraterstab ist gespalten: Die einen sehen in Israel den einzigen Akteur, der Hisbollahs Handlungsspielraum effektiv einschränken kann. Andere warnen, dass Tel Aviv durch sein Vorgehen die fragile Balance gefährdet.
Noch heikler ist Israels Agieren in Syrien, wo Präsident Ahmed al-Sharaa seit Monaten versucht, seine Kontrolle über das Land zu festigen. Trumps Administration hat deutlich gemacht, dass sie israelische Operationen auf syrischem Boden als kontraproduktiv für den regionalen Stabilisierungsprozess ansieht. Der Präsident selbst warnte vor Eingriffen, „die Syriens Entwicklung zu einem prosperierenden Staat behindern“.
Gaza als innenpolitischer Prüfstein
Für Netanyahu ist der Gaza-Konflikt nicht nur außenpolitisch, sondern auch innenpolitisch ein heikles Minenfeld. Seit dem verheerenden Hamas-Angriff vom 7. Oktober 2023, bei dem über 1.200 Israelis getötet und hunderte entführt wurden, steht der Premier unter enormem Druck. Der massive israelische Militäreinsatz, der seither über 70.000 Tote im Gazastreifen gefordert und weite Teile der Infrastruktur zerstört hat, wurde zwar von Teilen der Rechten bejubelt – doch seine Wirkung als strategischer Sieg ist ungewiss.
Zugleich mehren sich innerhalb des israelischen Regierungslagers Stimmen, die eine dauerhafte Kontrolle Gazas fordern. Verteidigungsminister Israel Katz kündigte jüngst an, dass Israel „dauerhafte jüdische Präsenz“ im Gazastreifen anstrebe – eine direkte Brüskierung Trumps, der seinerseits auf vollständigen Rückzug drängt. Der Präsident sieht in einer internationalen Verwaltung und der Demilitarisierung der Hamas zentrale Bausteine seines außenpolitischen Vermächtnisses.
Ein Gipfel mit offenem Ausgang
Die Begegnung in Mar-a-Lago ist deshalb mehr als ein bilaterales Treffen zweier langjähriger Verbündeter. Sie ist ein diplomatischer Lackmustest: Wie belastbar ist die US-israelische Allianz, wenn sich die strategischen Prioritäten verschieben? Und wie weit wird Trump bereit sein, Netanyahu politische Zugeständnisse zu machen – auch auf Kosten seines eigenen Friedensnarrativs?
Für Netanyahu steht viel auf dem Spiel. Mit Blick auf die israelischen Parlamentswahlen 2026 muss er Handlungsfähigkeit und außenpolitische Stärke demonstrieren. Doch die Zeit arbeitet gegen ihn: In Washington wächst die Ungeduld, und in Gaza droht jeder Zwischenfall den brüchigen Frieden zu sprengen. Der Premier reist nicht als souveräner Partner, sondern als Bittsteller – mit begrenztem Spielraum und wachsender internationaler Skepsis.
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Zelensky traf Trump in Florida
Nach einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Volodymyr Zelensky erklärte Donald Trump gestern, er glaube, dass Russland und die Ukraine „vielleicht sehr nah dran“ seien, den fast vier Jahre andauernden Krieg zu beenden. Zelensky sagte, ein neuer Vorschlag sei nahezu fertig ausgearbeitet, und beide Staatschefs betonten, dass die langwierigen Friedensverhandlungen weitergeführt würden.
Erhebliche Hindernisse bestehen jedoch weiterhin – allen voran die Frage, ob Russlands Präsident Wladimir Putin bereit ist, dem Vorschlag zuzustimmen. Putins Berater bemühten sich gestern, mehrere Ideen, die von Kiew und dessen westlichen Verbündeten eingebracht wurden, herunterzuspielen – darunter auch ein Vorschlag zur Entsendung europäischer Friedenskräfte in die Ukraine.
Am Samstag hatte Russland Kiew fast zehn Stunden lang mit Hunderten Drohnen und Raketen angegriffen. Nach Angaben der örtlichen Behörden wurden dabei zwei Menschen getötet und mindestens 32 weitere verletzt.
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Autor: P. Tiko
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