Tag & Nacht


Zwei Monate nach der Unterzeichnung der Waffenruhe bleibt der Friedensprozess im Gazastreifen ein fragiles Unterfangen. Internationale Diplomatie arbeitet auf Hochtouren – doch zentrale Fragen wie die Rolle der Hamas, der Einsatz internationaler Truppen und die Zukunft Gazas sind weitgehend ungelöst. Die jüngsten Gespräche zwischen einem hochrangigen Hamas-Funktionär und westlichen Journalisten verdeutlichen die politischen Fallstricke.

Die Hamas signalisiert Gesprächsbereitschaft – unter Bedingungen
In einem Interview mit der New York Times erklärte Husam Badran, ein ranghoher Hamas-Offizieller mit Sitz in Doha, die Organisation sei bereit, über ihre Waffen zu sprechen. Allerdings nur im Rahmen „ernsthafter“ Verhandlungen, die auch drei zentrale Forderungen der Hamas einschließen: ein vollständiger israelischer Rückzug aus dem Gazastreifen, das Ende aller militärischen Operationen Israels in der Enklave sowie die Schaffung eines palästinensischen Staates mit Ostjerusalem als Hauptstadt.

Diese Bedingungen machen deutlich, dass eine Entwaffnung der Hamas – eine Hauptforderung Israels – nicht isoliert betrachtet werden kann. Für die Islamisten, die sich von der säkularen Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) gerade durch ihren militärischen Kampf gegen Israel abheben, wäre eine Aufgabe der Waffen gleichbedeutend mit einem Verzicht auf ihr ideologisches Fundament. Entsprechend groß ist die Skepsis in Jerusalem, ob es sich hierbei tatsächlich um ein ernsthaftes Angebot handelt oder eher um eine Verzögerungstaktik.

Internationale Stabilisierungstruppe: Idee mit vielen Unbekannten
Parallel dazu versucht die internationale Gemeinschaft, allen voran die USA, eine sogenannte Internationale Stabilisierungstruppe aufzustellen, die in Gaza eine Sicherheitsfunktion übernehmen soll. Ziel wäre es, das fragile Waffenstillstandsabkommen zu überwachen und eine militärische Pufferzone zu schaffen – im Idealfall auch die Voraussetzungen für einen israelischen Rückzug.



Doch bislang hat sich kein Land öffentlich zur Entsendung von Truppen verpflichtet. Inoffiziell kursieren Namen wie Aserbaidschan, Indonesien, Italien, Ägypten oder die Vereinigten Arabischen Emirate. Ein ranghoher Vertreter Aserbaidschans gab kürzlich jedoch zu verstehen, dass sein Land zwar grundsätzlich gesprächsbereit sei, aber keine Bereitschaft habe, sich in mögliche Kampfhandlungen gegen Hamas verwickeln zu lassen.

Und genau hier liegt der Knackpunkt: Welches Mandat hätte eine solche Truppe? Soll sie lediglich den Waffenstillstand absichern – wie es Hamas bevorzugen würde? Oder wäre sie auch für die Umsetzung der Demilitarisierung Gazas zuständig – ein Szenario, das die meisten potenziellen Truppensteller ablehnen?

Friedensplan im Schatten vergangener Konzepte
Das Konzept einer völligen Entmilitarisierung Gazas stammt nicht zuletzt aus dem unter der Trump-Regierung 2020 präsentierten Friedensplan (Peace to Prosperity), der einen umfassenden Rückzug der Hamas aus allen sicherheitsrelevanten Funktionen forderte. Auch Israel pocht weiterhin auf diesen Punkt, der allerdings als unrealistisch gilt, solange die Hamas ihre Waffen als existenzielle Lebensversicherung betrachtet – auch zum Schutz vor internen Gegnern.

Friedensforscher wie Nathan Thrall (Ex-ICG, The Only Language They Understand, 2017) argumentieren, dass ein solcher Plan faktisch auf eine Kapitulation der Hamas hinausliefe. Solange es keine gleichzeitige Perspektive auf ein Ende der israelischen Besatzung und eine politische Lösung für das Westjordanland gibt, sei nicht mit einem einseitigen Entgegenkommen der Islamisten zu rechnen.

Katar als diplomatische Drehscheibe
Vor diesem Hintergrund fand nun eine erste internationale Konferenz zur Stabilisierungstruppe in Doha statt. Ziel des Treffens war es, informell abzuklären, welche Länder überhaupt zu einem Engagement bereit wären. Eine weitere Konferenz ist für Januar 2026 geplant. Bis dahin bleibt unklar, ob das Projekt über den Status diplomatischer Planspiele hinauskommt.

Die Gastgeberrolle Katars ist dabei kein Zufall. Das Emirat pflegt seit Jahren enge, teils kontroverse Beziehungen zu Hamas, fungiert aber auch als wichtiger Gesprächspartner für den Westen. In Doha laufen zahlreiche diplomatische Fäden zusammen – doch auch hier zeigt sich, dass es an klaren politischen Zielsetzungen mangelt.

Der Status quo als Gefahr
Wie es weitergeht, hängt von mehreren Faktoren ab: ob sich Länder zur Truppenentsendung bereit erklären, ob Israel zu substanziellen Zugeständnissen bereit ist, und ob Hamas intern überhaupt zur Abgabe von Kontrolle fähig wäre. Momentan bleibt offen, ob der Waffenstillstand der Beginn eines politischen Prozesses oder nur eine Atempause vor der nächsten Eskalation ist.

Die „Details“, so nüchtern sie auch erscheinen mögen, sind letztlich entscheidend. Ohne klares Mandat, ohne realistische Sicherheitsarchitektur und ohne politische Zielperspektive ist jeder Einsatz internationaler Kräfte zum Scheitern verurteilt. Und mit jedem Tag, an dem keine Fortschritte erzielt werden, wächst die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls in militärische Gewalt – mit katastrophalen Folgen für die Bevölkerung in Gaza wie in Israel.


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Autor: P. Tiko

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