Tag & Nacht




Ach, Raphaël Glucksmann – was für eine herrlich theatralische Idee! Weil die USA unter Trump die Werte der Demokratie und Freiheit verraten, sollen sie bitteschön die Freiheitsstatue zurückgeben. Bravo, das ist mal ein Statement! Ein starkes Symbol, eine saftige Provokation – und natürlich völlig unrealistisch. Aber genau darum geht es ja.

Denn seien wir ehrlich: Die Freiheitsstatue wird nie wieder französischen Boden berühren. Und das ist auch nicht nötig. Doch Glucksmanns Wutausbruch trifft einen Nerv. Früher galt Amerika als leuchtendes Beispiel für Freiheit und Demokratie. Heute? Heute brüllt ein Präsident 8m Oval Office, während in Florida Bücher über Bürgerrechte aus den Regalen verschwinden. Und Europa? Es staunt, wundert sich – und schaut besorgt zu.

Dass das Weiße Haus auf Glucksmanns Polemik wenig charmant reagiert, überrascht kaum. Karoline Leavitt, die Pressesprecherin von Donald Trump, kontert mit einem Satz, der wie ein Relikt aus einem alten Kriegsfilm klingt: „Ohne die USA würden die Franzosen heute Deutsch sprechen.“ Zack! Die ganz große Keule. Wer die Amerikaner kritisiert, sollte sich gefälligst daran erinnern, dass sie im Zweiten Weltkrieg Europa gerettet haben. Eine Wahrheit, ja – aber auch eine, die langsam Staub ansetzt.

Denn darum geht es doch gar nicht. Glucksmann fordert nicht wirklich die Freiheitsstatue zurück, sondern er hält den USA einen Spiegel vor. Es ist eine Botschaft an ein Amerika, das sich immer mehr von seinen eigenen Idealen entfernt. Und ja, auch eine Erinnerung an Europa, dass es selbst für seine Werte einstehen muss.

Die große Frage ist: Was tun wir mit diesem schwindenden Wertefundament? Sollen wir die Freiheitsstatue abmontieren, in Einzelteile verpacken und mit der nächsten Fähre nach Le Havre schicken? Sicher nicht. Aber wir sollten darauf bestehen, dass sie mehr bleibt als nur ein Fotomotiv für Touristen. Wenn die USA sich von ihren eigenen Idealen entfernen, reicht es nicht, mit dem Finger auf sie zu zeigen. Dann müssen wir, als Europa, als Frankreich, als Demokratien, den Freiheitsgedanken umso entschiedener selbst verteidigen.

Vielleicht sollte Glucksmann also nicht die Statue zurückfordern, sondern ihre Bedeutung verteidigen – auf beiden Seiten des Atlantiks.

Ein Kommentar von P. Tiko

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