Tag & Nacht

Die Austernzucht, ein stolzes Handwerk mit jahrhundertealter Tradition, steht in Frankreich vor enormen Herausforderungen. Viren, Diebstähle und der Klimawandel setzen den Züchtern schwer zu. Besonders betroffen: der berühmte Bassin d’Arcachon in der Region Nouvelle-Aquitaine, wo über 300 Betriebe jährlich Millionen Austern produzieren. Doch die Probleme häufen sich – mit teils dramatischen Folgen.

Eine desaströse Festtagssaison

Das vergangene Weihnachtsgeschäft, eine entscheidende Einnahmequelle für die Branche, endete für viele Austernzüchter in einer Katastrophe. Am 27. Dezember 2023 verhängte die Regierung ein Verkaufsverbot für Austern aus dem Bassin d’Arcachon. Grund waren mehrere Fälle von Lebensmittelinfektionen, die durch Noroviren ausgelöst wurden.

„Wir hatten kaum Zeit, uns zu erholen“, erklärt Thierry Lafon, ein Züchter mit fast 40 Jahren Erfahrung. „Der Umsatz brach ein, und der Marktpreis fiel ins Bodenlose.“ Für die Züchter ein harter Schlag, denn 30 bis 50 % ihres Jahresumsatzes erzielen sie in der Weihnachtssaison.

Die Ursache? Überschwemmungen im Herbst 2023 führten dazu, dass ungeklärte Abwässer in den Bassin gelangten – eine Mischung aus extremen Wetterbedingungen und Versäumnissen im Abwassermanagement. Eine von Anwohnern gefilmte Szene zeigt, wie Abwässer voller Exkremente direkt in die Natur geleitet wurden.

Die Suche nach Verantwortlichen

Thierry Lafon, der auch Vorsitzender der Umweltorganisation Adeba ist, hat Klage gegen den zuständigen Abwasserverband Siba eingereicht. Die Behörde weist die Schuld den außergewöhnlichen Regenfällen zu und kündigte Investitionen von 120 Millionen Euro an, darunter 30 Millionen für eine neue Kläranlage. Kritiker wie Lafon sehen jedoch ein tieferliegendes Problem: die ungebremste Urbanisierung und Betonierung der Böden, die den natürlichen Wasserkreislauf stören.

„Man kann keine Kläranlage bauen und glauben, das löse alles“, meint Lafon. Mit geplanten 30.000 neuen Wohnungen bis 2040 droht der ökologische Druck auf die Region weiter zuzunehmen.

Austern-Diebstähle: Ein unterschätztes Problem

Neben den Umweltproblemen kämpfen die Züchter gegen einen weiteren Feind: Diebe. Besonders in der Vorweihnachtszeit, wenn die Nachfrage nach Austern boomt, sind die Lagunen und Austernparks ein bevorzugtes Ziel. „Wir arbeiten drei Jahre an einer Charge Austern, und wenn sie gestohlen wird, ist das eine Katastrophe“, sagt Nicolas Cochez, ein Austernzüchter, der bereits zweimal Opfer von Diebstählen wurde.

Die lokale Wasserpolizei patrouilliert mittlerweile täglich in der Festtagssaison, doch das Problem bleibt bestehen.

Der Klimawandel: Eine stille Bedrohung

Langfristig bedroht jedoch nichts die Austernzucht so stark wie der Klimawandel. Steigende Meerestemperaturen und zunehmende Versauerung der Ozeane setzen den Tieren zu. Die wärmeren Gewässer fördern das Wachstum von Algen, die das ökologische Gleichgewicht stören. Gleichzeitig werden die Schalen der Austern durch die Aufnahme von CO₂ empfindlicher, da die Bildung von Kalk mehr Energie erfordert.

Studien prognostizieren, dass die Wachstumsrate der Austern bis 2050 um bis zu 20 % abnehmen könnte. Einige Züchter experimentieren bereits mit neuen Methoden. So hat Gireg Berder in der Bretagne begonnen, seine Austern ohne Netze direkt auf dem Meeresboden zu züchten. Der Vorteil: Rotalgen, die dabei wachsen, reduzieren die Versauerung der Umgebung.

„Die Austernzucht muss sich wandeln“

Angesichts der Vielzahl an Herausforderungen bleibt den Züchtern nur eines: sich anzupassen. Doch während einige wie Gireg Berder innovative Lösungen finden, kämpft Thierry Lafon weiter an der politischen Front. „Diejenigen, die den Bassin verschmutzen, müssen zur Rechenschaft gezogen werden“, sagt er.

Für die Austernzüchter geht es um mehr als ihr Einkommen – es geht um die Zukunft eines Kulturguts, das eng mit Frankreichs Identität verbunden ist. Ob diese Tradition den aktuellen Herausforderungen standhält, bleibt abzuwarten. Doch eines ist sicher: Der Kampf um die Austern hat gerade erst begonnen.


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