Tag & Nacht




Davos hat mal wieder geliefert. Beim Jahrestreffen 2025 des Weltwirtschaftsforums (WEF) wurde mit viel Tamtam eine neue Ära eingeläutet: „Connected Future“ heißt die Initiative, die alles verändern will. Oder zumindest sehr viel. Gemeinsam mit den Vereinten Nationen, der Europäischen Union und der Gates-Stiftung setzt das WEF auf eine vernetzte Welt – digital, interoperabel, sicher. Klingt futuristisch? Ist es auch.

Eine Allianz der Superlative

Ein Blick auf die Unterstützerliste zeigt, wohin die Reise geht: Die UN bringt ihre Vision von globaler Zusammenarbeit ein, die EU ihre milliardenschwere „Global Gateway“-Strategie, und Bill Gates? Der liefert Know-how, Erfahrung – und Einfluss. Was alle eint: der Wunsch, weltweit digitale öffentliche Infrastrukturen (DPI) zu schaffen. Also Systeme, auf denen Staaten und Bürger gleichermaßen bauen können – von der digitalen Identität bis hin zu Zahlungssystemen.

Doch was heißt das konkret?

Von Aadhaar bis X-Road: Vorbilder aus Ost und West

Das indische Aadhaar-System kennt fast jeder: biometrisch, flächendeckend, zentral. Rund 1,4 Milliarden Menschen sind dort erfasst. Ein anderes Beispiel: Estlands X-Road – ein dezentraler Datenaustausch, der als Rückgrat der digitalen Verwaltung dient. Beide Systeme gelten als Leuchttürme, die nun als Blaupause für die Welt dienen sollen.

Doch kein Modell passt überall. Deshalb will die Initiative nicht einfach kopieren, sondern anpassen, verbessern und weiterdenken. Künstliche Intelligenz, erweiterte Realität, Quantencomputing – all das soll in die neue Generation öffentlicher Dienste integriert werden. Klar ist: Das wird teuer, komplex – und politisch brisant.

Zwischen Vision und Kontrolle

Wer digital vernetzt, kann auch digital kontrollieren. Das sehen auch Kritiker so, die vor übermäßiger Machtkonzentration warnen. Was passiert, wenn private Akteure wie Big-Tech-Firmen künftig bestimmen, wer Zugang zu Gesundheitsdiensten oder digitalen Zahlungsmitteln erhält? Wer sorgt dafür, dass Datenschutz nicht zum Feigenblatt wird?

Gerade in autoritär regierten Staaten könnten zentrale DPI-Systeme leicht zur Überwachung missbraucht werden. Auch deshalb pocht das WEF auf ethische Standards, Transparenz und demokratische Beteiligung – doch die Umsetzung dieser Prinzipien ist alles andere als trivial.

Digitalisierung als Entwicklungsmotor?

Bill Gates sieht in der Digitalisierung eine „Hebelwirkung“ – vor allem in Entwicklungsländern. Dort könnten digitale Identitäten das Tor zu Bildung, Gesundheit und finanzieller Teilhabe öffnen. Was in Europa selbstverständlich erscheint, ist in weiten Teilen Afrikas oder Südasiens noch Vision. Das Versprechen: Wer vernetzt ist, bleibt nicht zurück. Aber stimmt das wirklich?

Die Realität ist komplizierter. Ohne Strom, Internetzugang und digitale Bildung helfen auch die besten Plattformen nichts. Eine „Connected Future“ braucht also mehr als Technik – sie braucht Infrastruktur, Vertrauen und politische Stabilität.

Wieviel Zukunft steckt in „Connected Future“?

Die Ziele sind ehrgeizig: Bis 2030 sollen internationale Standards für digitale Identitäten, Zahlungssysteme und Datenplattformen stehen. Die Hoffnung: eine digitale Ordnung, die global funktioniert. Die Herausforderung: ein Flickenteppich aus Rechtsordnungen, Interessen und Technologien.

Und dennoch – die Chance, etwas wirklich Großes zu schaffen, ist da. Eine Art „Internet 2.0“, das nicht nur von Silicon Valley bestimmt wird, sondern von einer echten Weltgemeinschaft. Ob das klappt?

Tja, die Zukunft ist noch nicht geschrieben.

Was bleibt?

„Connected Future“ ist mehr als ein PR-Schlagwort. Es ist ein ehrgeiziger Plan für eine vernetzte Welt, in der digitale Teilhabe nicht vom Geburtsort abhängt. Damit das gelingt, braucht es Mut, Zusammenarbeit – und kritisches Denken. Zwischen Fortschritt und Freiheit muss ein Gleichgewicht gefunden werden, das für alle funktioniert.

Oder, um es zugespitzt zu sagen: Der Weg zur digitalen Utopie ist gepflastert mit offenen Fragen.

Von C. Hatty

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