Kaum ist der rote Teppich ausgerollt, spürt man es förmlich: das Prickeln, das Funkeln, diese Magie, die nur Cannes verströmt. Jahr für Jahr – und doch jedes Mal ein bisschen anders. Jetzt sind sie wieder da, die Stars und Sternchen. Und mit ihnen kehrt ein ganz eigenes Lebensgefühl zurück. Nicht nur für die Filmschaffenden. Für uns alle.
Denn Cannes ist mehr als nur ein Filmfestival.
Es ist ein kollektiver Rausch der Sinne. Ein Traum in Echtzeit. Hier weht der Wind des Glamours über der Côte d’Azur – und trägt unsere Sehnsüchte gleich mit in die große weite Welt hinaus. Wenn Schauspielgrößen aus Hollywood, Regiewunderkinder aus Südkorea oder französische Filmlegenden die Stufen des Palais erklimmen, dann wird die Leinwand zur Bühne der Menschlichkeit. Und des Wahnsinns, der dazugehört.
Ich gebe es zu: Ich liebe Cannes.
Nicht, weil ich Fan von Glitzer bin. Oder weil ich auf dekadente Partys abfahre – im Gegenteil. Sondern weil Cannes jedes Jahr aufs Neue daran erinnert, was Kino sein kann. Und was es mit uns macht. Es rührt uns zu Tränen, es bringt uns zum Lachen, es lässt uns träumen, lieben, zweifeln. Manchmal sogar alles auf einmal.
Zwischen Weltpremieren und Standing Ovations wird in Cannes etwas freigelegt, das im Alltag oft untergeht: unsere Fähigkeit zu staunen.
Wie oft lassen wir uns im Alltag noch überraschen? Wann haben wir zuletzt wirklich mitgefühlt, ohne Ironie, ohne Distanz?
Natürlich, es ist auch ein Spiel. Die High Heels klackern extra laut, die Sonnenbrillen sind übergroß, und das Lächeln sitzt wie festgetackert. Aber wer genau hinschaut, erkennt darunter die kleinen Regungen, die echten Momente. Nervosität. Stolz. Hoffnung.
Die Kamera liebt alles davon.
Und wir? Wir lieben, dass es sie gibt – diese kleinen Fluchten aus dem Gewöhnlichen. Cannes ist der Ort, an dem aus Ideen Geschichten werden, aus Träumen Filme, und aus Momenten Erinnerungen. Das klingt kitschig, ich weiß. Aber es ist wahr.
Zwischen all dem Glanz steht Cannes auch für eine Bühne des Widerspruchs.
Kunst trifft Kommerz. Statements prallen auf Schönfärberei. Und genau das macht es spannend. Hier darf – und soll – gerungen werden. Um Wahrhaftigkeit. Um Haltung. Um Sichtbarkeit. Cannes ist kein neutraler Raum, nie gewesen. Sondern ein Ort, an dem sich Kultur, Politik und Zeitgeist küssen – oder aneinander abarbeiten.
Es sind auch unbequeme Filme dabei. Werke, die weh tun, verstören, aufrütteln. Filme, die nicht jeder versteht – oder verstehen will. Aber auch die brauchen ihren Platz. Gerade hier. Gerade jetzt.
Und dann sind da natürlich die Träume.
Die, die mit Herzklopfen anreisen. Die jungen Regisseur:innen, die unbekannten Schauspieler, die Drehbuchautoren, deren Werk erstmals das Licht der Leinwand erblickt. Für sie ist Cannes kein Laufsteg – es ist ein Sprungbrett. In eine Zukunft, von der sie schon als Kind geträumt haben.
Diese Energie – man kann sie beinahe greifen.
Ich erinnere mich an mein erstes Mal in Cannes. Es war heiß, die Luft schwer vom Parfum der Stars und der Aufregung der Massen. Ich stand in der Menge, ohne Einladung, ohne Aussicht auf einen Sitzplatz. Aber als das Licht im Saal ausging und der erste Film begann, war alles vergessen. Nur noch Bilder, Musik, Gefühl.
Das war Magie. Und sie bleibt.
Also ja – jetzt sind sie wieder da. Die Stars. Die Sternchen. Die Geschichten, die wir brauchen wie das Salz in der Suppe.
Cannes zeigt uns, was wir längst wussten und doch immer wieder vergessen: Das Kino ist lebendig. Und es gehört uns allen.
Ein Kommentar von C. Hatty
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