Grenoble steht im Zentrum alarmierender Entwicklungen. In der Stadt, die schon lange mit Kriminalität zu kämpfen hat, explodieren die Zahlen im Drogenhandel förmlich. Ein Anstieg um 70 % innerhalb eines Jahres – das ist nicht nur eine Statistik, sondern Realität für viele Anwohner.
Die Gewalt nimmt dabei erschreckende Formen an. Ein brutaler Mord an einem 15-Jährigen auf einem Drogenumschlagplatz, die Tötung eines städtischen Mitarbeiters durch Schüsse, ein Überfall auf einen Geldtransporter mitten auf der Straße – die Liste der Verbrechen in Grenoble ist 2024 besonders lang. Laut dem französischen Innenministerium gab es allein in diesem Jahr 48 Schießereien. Sechs Menschen verloren ihr Leben, viele weitere wurden verletzt. Besonders betroffen sind fünf Viertel der Stadt, in denen sich rivalisierende Banden offene Machtkämpfe liefern.
Cécile Cenatiempo, Stadträtin der Sozialisten (PS), zeigt sich besorgt: „Sie verstecken sich nicht mehr. Ich glaube, es gibt ein Gefühl der Straflosigkeit.“ Und genau dieses Gefühl könnte der Schlüssel zum Problem sein – wenn es keine Konsequenzen gibt, warum sollten Kriminelle dann ihre Aktivitäten einschränken?
Schwerbewaffnete Dealer und eine Stadt in Angst
Ein weiteres beunruhigendes Phänomen: Das Waffenarsenal der Drogendealer wird immer professioneller. Früher waren es vielleicht Messer oder Pistolen, heute sind es Handgranaten. Ein Vorfall in Villeneuve macht das deutlich – dort wurde eine Granate in eine Bar geworfen. Das zeigt, auf welchem Level sich diese Auseinandersetzungen mittlerweile bewegen.
Ronald Gallo, ein erfahrener Anwalt, der seit 50 Jahren die kriminelle Szene in Grenoble beobachtet, zieht einen drastischen Vergleich: „Es fühlt sich an, als gäbe es hier einen Supermarkt, in dem sich jeder nach Belieben bedienen kann.“
Tatsächlich sprechen die Zahlen eine deutliche Sprache: Im Jahr 2024 wurden in Isère 1004 Personen wegen Drogendelikten festgenommen – ein Plus von 72 % im Vergleich zum Vorjahr. Ein deutlicher Hinweis darauf, dass das Geschäft floriert. Doch was bedeutet das für die Menschen, die in diesen Vierteln leben und arbeiten?
Leben zwischen Angst und Resignation
Für viele Anwohner ist die eskalierende Gewalt längst Teil des Alltags. Wer in den betroffenen Vierteln wohnt, lebt mit der ständigen Gefahr, ins Kreuzfeuer zu geraten. Geschäftsinhaber klagen darüber, dass Kunden aus Angst fernbleiben, dass Schutzgeldforderungen steigen, dass sie morgens nie wissen, ob ihr Laden über Nacht Ziel eines Angriffs wurde.
Gleichzeitig macht sich Resignation breit. „Man kann ja doch nichts machen“, hört man oft. Wer redet, riskiert, selbst ins Visier zu geraten. Also schweigt man – und hofft, dass es einen nicht selbst trifft.
Doch es gibt auch Gegenmaßnahmen. 16 neue Ermittler und Feldagenten sollen in den kommenden Monaten rekrutiert werden, um der Lage Herr zu werden. Doch reicht das? Ist das nicht nur ein Tropfen auf den heißen Stein?
Die Zukunft Grenobles: Kampf oder Kapitulation?
Die Entwicklungen in Grenoble werfen eine brennende Frage auf: Kann der Staat die Kontrolle zurückerlangen oder wird die Stadt weiter im Strudel der Kriminalität versinken?
Der Anstieg der Gewalt ist beunruhigend, aber nicht einzigartig – viele französische Städte stehen vor ähnlichen Herausforderungen. Doch Grenoble scheint eine besondere Dynamik entwickelt zu haben, in der sich Kriminelle immer sicherer fühlen. Die Rekrutierung neuer Beamter ist ein Schritt in die richtige Richtung, doch es wird mehr brauchen: härtere Strafen, bessere soziale Maßnahmen und ein entschlossenes Vorgehen gegen die Wurzeln des Problems.
Bis dahin bleibt Grenoble eine Stadt im Ausnahmezustand – mit Menschen, die zwischen Angst und Hoffnung auf ein Ende der Gewalt leben.
Von C. Hatty
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