Tag & Nacht




Manchmal fühlt es sich an, als wäre der Planet selbst fiebrig – und genau das sagen nun auch die neuesten wissenschaftlichen Prognosen: Die nächsten fünf Jahre könnten uns nicht nur weitere Hitzerekorde bescheren, sondern sogar ein erstes Jahr mit über 2 Grad Erwärmung seit der vorindustriellen Zeit. Klingt drastisch? Ist es auch.

Ein planetarer Wendepunkt

Die Wahrscheinlichkeit, dass zwischen 2025 und 2029 ein neues globales Temperaturrekordjahr gemessen wird, liegt bei satten 80 Prozent. In Zahlen: Vier von fünf Chancen – das ist wie russisches Roulette mit fast allen Kammern geladen. Aber damit nicht genug.

Noch beunruhigender ist die Erkenntnis, dass es eine 86-prozentige Wahrscheinlichkeit gibt, dass wir in den nächsten fünf Jahren mindestens ein Jahr erleben, das die berühmte 1,5-Grad-Schwelle überschreitet. Diese Grenze gilt als das ehrgeizigste Ziel des Pariser Klimaabkommens – und wir rauschen geradewegs darauf zu.

Warum sind 1,5 Grad so bedeutend?

Weil es nicht nur um ein paar heiße Sommertage mehr geht.

Ab diesem Punkt werden Extremwetterlagen wie Dürren, Überschwemmungen und Hitzewellen häufiger – und vor allem heftiger. Wälder brennen leichter, Ernten verdorren schneller, und Städte stöhnen unter Hitzeglocken. Schon mal erlebt? Richtig. Aber es könnte noch schlimmer werden.

Der 2-Grad-Schock

Die größte Überraschung in den aktuellen Klimamodellen: Es besteht inzwischen eine – wenn auch geringe – Chance von etwa einem Prozent, dass wir schon vor 2030 ein Jahr mit einer Erwärmung von 2 Grad erleben. Was früher als „unmöglich“ galt, rückt auf einmal in den Bereich des Möglichen.

Klingt nach Panikmache? Dann lohnt ein Blick in die Details.

Ein solches Jahr müsste viele ungünstige Faktoren vereinen: Ein starker El Niño, veränderte arktische Strömungen, eine ungewöhnlich intensive Sonneneinstrahlung. Aber dass dieses Szenario jetzt statistisch auftaucht, zeigt, wie schnell sich das Klima verändert.

Es trifft nicht alle gleich

Klimawandel ist kein gleichmäßiger Ofen, der einfach global die Temperatur hochdreht. Manche Regionen geraten schon jetzt deutlich stärker unter Druck:

  • In der Arktis steigen die Wintertemperaturen 3,5-mal schneller als im globalen Durchschnitt. Warum? Schmelzendes Eis reflektiert weniger Sonnenlicht – ein Teufelskreis.
  • Der Amazonas droht auszutrocknen. Und das bedeutet nicht nur verlorene Artenvielfalt, sondern auch eine gigantische CO₂-Senke, die ihre Funktion verliert.
  • Südasien, der Sahel und Nordeuropa müssen sich auf mehr Regen einstellen – was bei gesättigten Böden und voller Kanalisation keine gute Nachricht ist.

Was steht auf dem Spiel?

Hier ist kein Platz für Schönfärberei: Wir stehen an der Schwelle zu unumkehrbaren Veränderungen. Jeder weitere Zehntelgrad heizt nicht nur die Atmosphäre an, sondern auch die sozialen Spannungen. Wer wenig hat, leidet am meisten – und oft zuerst.

Klimagerechtigkeit bedeutet daher, sowohl Emissionen zu senken als auch die verletzlichsten Gruppen zu schützen. Klingt logisch? Sollte es auch sein – ist es aber leider noch nicht überall.

Technik und Hoffnung

Die gute Nachricht: Noch ist nichts verloren. Technologische Entwicklungen wie grüne Energie, präzisere Klimamodelle oder CO₂-Speicherlösungen bieten Werkzeuge, die wir dringend nutzen sollten. Und ja – viele Länder, Städte und Unternehmen fangen an umzudenken.

Aber reicht das?

Wahrscheinlich nicht, wenn wir nicht massiv beschleunigen.

Und was jetzt?

Was können wir als Gesellschaft tun, um den Kurs zu ändern? Reicht es, wenn wir unsere Heizung runterdrehen und aufs Flugzeug verzichten?

Natürlich ist individuelles Verhalten wichtig – aber die großen Hebel liegen in der Politik, in den Investitionsentscheidungen von Konzernen und in der globalen Zusammenarbeit. Ohne entschlossene Maßnahmen bleibt die 1,5-Grad-Grenze ein Stück Papier mit einer schönen Unterschrift.

Ein persönlicher Gedanke

Ich schreibe seit mehreren Jahren über Klima und Biodiversität. Und auch wenn mir manchmal die Wut und die Verzweiflung über den mangelnden Fortschritt die Tasten blockieren – ich glaube weiterhin daran, dass Wandel möglich ist. Nicht naiv, sondern realistisch.

Denn Geschichte zeigt: Große Transformationen geschehen nicht linear. Sie geschehen sprunghaft, wenn genug Menschen sagen – jetzt reicht’s!

Vielleicht – nur vielleicht – stehen wir genau an so einem Punkt.

Von Andreas M. B.

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