Der Kalender zeigt den 31. Juli – auf den ersten Blick ein gewöhnlicher Sommertag. Doch ein Blick in die Vergangenheit macht deutlich: An diesem Datum wurde Geschichte geschrieben. Von revolutionären Ideen über dramatische Wendepunkte bis hin zu stillen, aber bedeutsamen Entscheidungen. Und das weltweit – aber besonders auch in Frankreich.
Große Schritte und dunkle Schatten – weltweit
Am 31. Juli des Jahres 1498 stieß Christoph Kolumbus auf eine Insel, die er „Trinidad“ nannte. Damit begann eine Phase, in der sich europäische Seefahrer Stück für Stück dem südamerikanischen Kontinent näherten. Es war der Auftakt zu einem der folgenreichsten Kapitel der Weltgeschichte – dem Zeitalter der Entdeckungen, das bald in Kolonialisierung und Ausbeutung mündete.
Rund 280 Jahre später, mitten im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg, trat ein junger französischer Adliger in Erscheinung: der Marquis de Lafayette. Am 31. Juli 1777 wurde ihm der Rang eines Generalmajors in der Kontinentalarmee verliehen. Unbezahlt, aber voller Idealismus kämpfte er für die Unabhängigkeit der amerikanischen Kolonien. Eine transatlantische Allianz wurde hier geboren, die in gewisser Weise bis heute nachwirkt.
Doch nicht jeder 31. Juli war ein Tag des Aufbruchs.
1917, mitten im Ersten Weltkrieg, begann an diesem Tag die dritte Flandernschlacht bei Ypern – ein zähes, blutiges Ringen im Matsch, bei dem Hunderttausende starben. Die Landschaft wurde zerfurcht, die Moral der Truppen zerrieben. Es war einer dieser Momente, in denen die Menschheit sich selbst zu verlieren schien.
Ein weiteres düsteres Ereignis: Am 31. Juli 1941 unterzeichnete ein hoher NS-Funktionär ein Schreiben, das zur „Endlösung der Judenfrage“ aufrief. Der industrielle Massenmord an den europäischen Juden wurde damit konkret vorbereitet. Ein kalter Akt der Bürokratie – mit unermesslichen Konsequenzen.
Aber auch Raumfahrtgeschichte wurde an diesem Datum geschrieben: Am 31. Juli 1971 fuhren US-Astronauten mit dem ersten Mondfahrzeug über die Oberfläche unseres Erdtrabanten. Es war nicht nur ein technologisches Wunder, sondern auch ein Symbol menschlicher Neugier und Entschlossenheit.
Frankreich am 31. Juli – ein Land im Spiegel seiner Widersprüche
In Frankreich sind es oft die politischen und gesellschaftlichen Brüche, die sich am 31. Juli zeigen.
Ein frühes Beispiel ist das Jahr 1358. Der einflussreiche Prévôt Étienne Marcel wurde in Paris von Anhängern der Krone ermordet. Er hatte versucht, die Macht des Dauphins einzuschränken – ein Vorläufer der Idee von Volksvertretung und bürgerlicher Kontrolle. Doch der Widerstand gegen seine Reformen war zu groß.
Zwei Jahrhunderte später, am 31. Juli 1556, starb Ignatius von Loyola – Gründer des Jesuitenordens. Sein Einfluss auf Bildung und Mission war enorm. Die Jesuiten bildeten über Jahrhunderte hinweg Eliten in Frankreich und Europa. Noch heute wirken ihre Institutionen fort.
Und dann, 1914: Paris. Das politische Klima ist aufgeheizt. Europa steht am Abgrund des Krieges. Der Sozialist Jean Jaurès, einer der wenigen Stimmen der Vernunft, wird in einem Café ermordet – von einem Nationalisten. Einen Tag später beginnt der Erste Weltkrieg für Frankreich. Jaurès‘ Tod steht sinnbildlich für das Scheitern des Pazifismus in einem Moment, in dem er am dringendsten gebraucht wurde.
Springen wir in die Nachkriegszeit: Am 31. Juli 1968 beschließt Frankreich ein Amnestiegesetz. Es schützt viele, die im Algerienkrieg schwere Menschenrechtsverletzungen begangen hatten. Kein Ruhmesblatt für die französische Justiz – und bis heute ein wunder Punkt in der Aufarbeitung der Kolonialvergangenheit.
Aber nicht alles an diesem Tag war finster: Im selben Jahrzehnt erlaubte Frankreich den Betrieb privater Fernsehsender – eine Zäsur in der französischen Medienlandschaft. Die bisher dominierende staatliche Kontrolle wurde aufgebrochen. Heute sind private Sender selbstverständlich – damals war es revolutionär.
Und schließlich der 31. Juli 1944: Der letzte große Deportationszug verlässt das Lager Drancy in Richtung Auschwitz. Über 1.300 Menschen – Männer, Frauen, Kinder – wurden an diesem Tag verschleppt. Nur wenige kehrten zurück. Dieser Tag steht heute symbolisch für das Ausmaß französischer Beteiligung an der Shoah – ein Thema, das erst Jahrzehnte später offen diskutiert wurde.
Und heute?
Was bleibt von all dem?
Der 31. Juli ist ein Tag, der die ganze Bandbreite menschlichen Handelns spiegelt – Entdeckergeist und Vernichtung, Aufbruch und Verrat, Fortschritt und Verdrängung. Er zeigt, wie eng Hoffnung und Katastrophe miteinander verwoben sein können.
Er wirft Fragen auf, die uns noch heute beschäftigen: Wie gehen wir mit dunklen Kapiteln unserer Geschichte um? Können Technik und Wissenschaft menschliche Verantwortung ersetzen? Und wie erinnern wir, ohne zu verklären?
Kurios gesagt: Der 31. Juli wäre ein passendes Datum für ein Museum der Extreme.
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