Tag & Nacht




Die Bomben fallen, die Kommunikationswege sind instabil, doch die Stimmen aus Gaza verstummen nicht – noch nicht.

Seit dem 7. Oktober 2023 tobt in Gaza ein Krieg, der nicht nur Menschen trifft, sondern auch die Wahrheit bedroht. Für die großen französischen Medienhäuser – von Le Monde bis Arte – sind palästinensische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die einzigen, die noch berichten können, was wirklich geschieht. Journalisten, Fotografen, Übersetzer – Menschen, die ihr Leben riskieren, damit wir sehen, hören und begreifen können, was sich dort abspielt.

Aber genau diese Menschen stehen jetzt offensichtlich selbst auf der Abschussliste.

Eine Initiative von über zwanzig Redaktionen, darunter France 24, RFI und Médiapart, fordert: Diese Mitarbeiter müssen sofort evakuiert werden. Rami El Meghari, Kamal Abu Shabab, Hassan Jaber, Fadi Hossam – sie alle haben für französische Medien gearbeitet, oft über Jahre hinweg. Ihre Gesichter und Stimmen sind eng mit den Bildern verbunden, die wir aus Gaza kennen.

Ohne sie? Wäre Gaza ein schwarzes Loch auf der Nachrichtenkarte.

Wenn Berichterstattung Leben kostet

Was bedeutet es, Journalist in Gaza zu sein? Mehr als 200 palästinensische Reporter wurden seit Beginn des Kriegs getötet. Die Universität Brown stellte nüchtern fest: Mehr als in beiden Weltkriegen zusammen, mehr als in fünf anderen großen Konflikten dieser Zeit.

Ein Satz aus einem UN-Bericht bleibt hängen wie ein Schlag: „Journalismus ist in Gaza ein tödlicher Beruf geworden.“

Rami El Meghari wurde angeschossen – auf dem Heimweg. Seine Tochter hat einen Luftangriff nur knapp überlebt. Kamal Abu Shababs Haus? Erst zerbombt, dann mit Bulldozern dem Erdboden gleichgemacht. Hassan Jaber erlitt einen Schlaganfall – doch in einem Gesundheitssystem, das selbst in Trümmern liegt, gibt es keine Behandlung.

Wie lange kann man in einem solchen Albtraum durchhalten?

Medienethik mit bitterem Beigeschmack

Französische Medienhäuser haben jahrelang von der Arbeit ihrer palästinensischen Kollegen profitiert. Jetzt, wo die Gefahr so greifbar ist, stellt sich eine unangenehme Frage: Reicht ein „Danke“? Oder gehört es zur journalistischen Verantwortung, für diese Menschen auch physisch einzustehen?

Wer die Wahrheit hinter den Geschichten will, muss auch den Schutz bieten – so einfach und so schwer ist das.

Und nein, das ist kein humanitärer Bonus, kein Akt der Großzügigkeit. Es ist pure journalistische Ethik.

Was Frankreich jetzt tun muss

Die Forderung des Journalistenverbandes ist glasklar: Die französische Regierung soll sofort handeln und ihre palästinensischen Medienpartner sowie deren Familien aus Gaza evakuieren. Diese Menschen sind keine „lokalen Helfer“. Sie sind Teil der französischen Medienlandschaft – nur eben an einem der gefährlichsten Orte der Welt.

Wer an Demokratie glaubt, muss auch an die Pressefreiheit glauben.

Und die beginnt nicht erst in Paris – sie beginnt dort, wo Menschen ihre Kameras und Mikrofone zücken, obwohl Bomben fallen.

Ein Blick über den Tellerrand

Wie viele Leser wissen wohl, dass viele der packenden Reportagen aus Kriegsgebieten nicht von entsandten Korrespondenten stammen, sondern von lokalen Mitarbeitern? Ohne sie wären Nachrichten aus Syrien, Afghanistan oder der Ukraine oft nicht möglich gewesen. Gaza ist da keine Ausnahme – aber vielleicht das drastischste Beispiel.

Die Wahrheit hat viele Gesichter. In Gaza sind sie oft von Staub und Angst gezeichnet. Und doch schauen sie direkt in die Kamera – für uns.

Ein Appell, der nicht ungehört bleiben darf

Es geht nicht nur um Evakuierung. Es geht um Anerkennung, um Schutz, um Fairness. Wer sich auf Informationen aus Krisengebieten verlässt, muss auch bereit sein, für deren Quellen einzustehen.

Es ist Zeit, Farbe zu bekennen. Und die Uhr tickt.

Von Andreas M. Brucker

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