Tag & Nacht




Am 25. Juni richtet sich der Blick der Welt – zumindest für einen Moment – auf eine Berufsgruppe, die im Alltag kaum sichtbar ist, aber im Getriebe der Globalisierung unverzichtbar: die Seefahrer.

Etwa 90 Prozent des Welthandels erfolgen per Schiff. Dieser schlichte Satz beschreibt eine Realität, die in ihrer logistischen, wirtschaftlichen und menschlichen Dimension gewaltig ist. Containerfrachter, Tanker, Kühl- und Massengutschiffe durchqueren täglich die Ozeane. Sie transportieren Rohstoffe, Konsumgüter, Nahrungsmittel, Maschinen. Was im Hafen ankommt, hat irgendwo auf hoher See seinen Weg gefunden – meist begleitet von Schichtarbeit, Enge, Isolation, Wetterextremen.

Doch wer spricht über die, die dies alles leisten?

Der „Day of the Seafarer“, eingeführt von der International Maritime Organization (IMO), will genau das ändern. Es ist ein Versuch, einem anonymisierten, überaus heterogenen Berufsstand Aufmerksamkeit und Anerkennung zu verschaffen – jenseits folkloristischer Romantik. Die Wirklichkeit an Bord ist oft technisiert, routiniert – und doch geprägt von Ungewissheit. Die Pandemie hat das besonders deutlich gemacht: monatelange Quarantäne auf See, ausbleibende Crewwechsel, prekäre medizinische Versorgung. Was für viele bloß ein logistisches Problem war, war für andere: Alltag in Ausweglosigkeit.

Dazu kommt: Der internationale Seeverkehr ist zwar global geregelt, aber in der Praxis ein Flickenteppich unterschiedlichster Standards. Arbeitszeiten, Sozialversicherungen, Sicherheit an Bord – all das hängt vom Flaggenstaat, von der Reederei, vom Fahrtgebiet ab. Die Maritime Labour Convention sollte 2006 eine Art Grundgesetz für Seeleute schaffen. Doch wie so oft gilt: Papier ist geduldig, das Meer nicht.

Wer den Seeverkehr nur durch die ökonomische Brille betrachtet, verkennt seine soziale Dimension.

Dass der Tag des Seefahrers jährlich daran erinnert, ist wichtig – nicht aus Sentimentalität, sondern aus Verantwortung. Denn die stille Mehrheit der globalen Lieferkette lebt nicht in Städten, sondern auf Schiffen. Und was dort geschieht, geht uns alle an.

Autor: Daniel Ivers

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