Tag & Nacht

Stellen wir uns eine Welt vor, in der jeder Mensch als Bruder oder Schwester gesehen wird. Eine Welt, in der ethnische, religiöse oder kulturelle Unterschiede nicht trennen, sondern bereichern. Utopisch? Vielleicht. Doch genau diese Vision steht im Mittelpunkt des Internationalen Tages der Geschwisterlichkeit aller Menschen, der jedes Jahr am 4. Februar begangen wird. Ein Tag, der an das erinnert, was in einer Welt voller Krisen, Konflikte und Spaltungen so oft in den Hintergrund rückt: die gemeinsame Menschlichkeit.

Mehr als ein idealistischer Traum

Die Idee dieses Tages entstand aus einem historischen Moment: Am 4. Februar 2019 unterzeichneten Papst Franziskus und der Großimam der Al-Azhar, Ahmad al-Tayyeb, in Abu Dhabi das Dokument über die Brüderlichkeit aller Menschen. Ihr Ziel war es, einen interreligiösen Dialog zu fördern, Hass und Gewalt zu bekämpfen und Brücken zwischen verschiedenen Kulturen zu bauen. Zwei führende Geistliche verschiedener Glaubensrichtungen – vereint in der Botschaft, dass alle Menschen eine Familie sind.

Die Vereinten Nationen erkannten die Bedeutung dieses Schritts und erklärten den 4. Februar offiziell zum Internationalen Tag der Geschwisterlichkeit aller Menschen. Doch was bedeutet das für uns im Alltag?

Geschwisterlichkeit als Antwort auf eine zerrissene Welt

Die Welt scheint heute gespaltener denn je. Politische Ideologien, soziale Ungerechtigkeit, religiöse Konflikte, wirtschaftliche Interessen – sie alle sorgen dafür, dass sich Menschen voneinander entfernen. Doch was wäre, wenn wir uns daran erinnern, dass hinter jedem Etikett, hinter jeder Nationalität, Religion oder Hautfarbe ein Mensch steht?

Ein Mensch mit Hoffnungen, Ängsten, Träumen. Ein Mensch, der, genau wie wir selbst, Anerkennung, Liebe und Sicherheit sucht. Diese Erkenntnis ist keine naive Vorstellung, sondern die Grundlage für friedliches Zusammenleben.

Geschwisterlichkeit bedeutet nicht, dass wir alle gleich sein müssen. Es geht nicht darum, Unterschiede zu leugnen. Vielmehr geht es darum, sie als Stärke zu begreifen – als Ausdruck der Vielfalt, die unsere Welt lebenswert macht.

Was jeder Einzelne tun kann

Es ist leicht, an einem Tag wie diesem große Worte zu finden. Doch wie lässt sich die Idee der Geschwisterlichkeit konkret im Alltag umsetzen?

  • Zuhören statt urteilen: Oft bewerten wir Menschen vorschnell aufgrund von Herkunft, Beruf oder Religion. Doch ein Gespräch kann Klischees aufbrechen und Verständnis schaffen.
  • Solidarität zeigen: Ob im kleinen Rahmen – einem Nachbarn in Not helfen – oder im großen Stil – sich für soziale Gerechtigkeit einsetzen: Jede Geste zählt.
  • Bildung als Schlüssel nutzen: Vorurteile entstehen meist aus Unwissenheit. Wer sich mit anderen Kulturen und Religionen beschäftigt, lernt, Gemeinsamkeiten zu erkennen.
  • Soziale Medien bewusst nutzen: Statt Hassbotschaften zu verbreiten oder still hinzunehmen, wenn andere diskriminiert werden, kann jeder aktiv für eine respektvolle Debattenkultur eintreten.

Ein Tag mit Signalwirkung – aber reicht das?

Natürlich wird ein einzelner Gedenktag die Welt nicht über Nacht verändern. Doch er kann ein Denkanstoß sein. Ein Moment der Reflexion, der uns daran erinnert, dass Frieden und Zusammenhalt nicht nur politische oder religiöse Themen sind – sondern etwas, das bei jedem Einzelnen beginnt.

Denn letztendlich geht es um eine ganz einfache Frage: In welcher Welt wollen wir leben? In einer, die Mauern errichtet – oder in einer, die Brücken baut?

Vielleicht ist die Antwort darauf gar nicht so kompliziert. Vielleicht liegt sie genau in der Idee dieses Tages: Geschwisterlichkeit als gelebte Praxis, als Haltung, die über den 4. Februar hinausgeht – und uns jeden Tag begleitet.

Autor: C. Hattyu

Es grüßt die Redaktion von Nachrichten.fr!


Du möchtest immer die neuesten Nachrichten aus Frankreich?
Abonniere einfach den Newsletter unserer Chefredaktion!