Der ehemalige französische Premierminister Jean Castex hat einen Tag in Polizeigewahrsam verbracht – und ist nun wieder auf freiem Fuß. Die Ermittlungen gegen ihn gehen jedoch weiter.
Ein Verfahren mit politischer Brisanz
Jean Castex, einst enger Vertrauter von Emmanuel Macron und derzeit Chef der Pariser Verkehrsbetriebe RATP, wurde am Donnerstag, dem 13. Februar, von der Gendarmerie in Montpellier vernommen. Grund: Ein laufendes Verfahren wegen des Verdachts auf Veruntreuung öffentlicher Gelder.
Es geht um finanzielle Hilfen für ein Unternehmen in den Pyrénées-Orientales, die Castex während seiner Amtszeit als Präsident der dortigen Gemeindeverwaltung genehmigt haben soll. Die zentrale Frage der Ermittler: War das legal oder verstieß es gegen geltendes Recht?
Kein persönlicher Vorteil – doch war die Hilfe rechtens?
Brisant an dem Fall ist, dass Castex selbst keinen persönlichen Vorteil aus der finanziellen Unterstützung gezogen haben soll. Dennoch steht der Verdacht im Raum, dass bei der Vergabe der Mittel Vorschriften umgangen wurden.
Die Antikorruptionsorganisation Anticor hatte das Verfahren mit einer Anzeige ins Rollen gebracht. Neben Castex wurden auch zwei ehemalige Vizepräsidenten der Gemeindeverwaltung sowie der damalige Direktor der Verwaltung vernommen. Ihnen wird unter anderem Urkundenfälschung und der Missbrauch öffentlicher Mittel vorgeworfen.
Laut Angaben der Staatsanwaltschaft von Perpignan endete Castex’ Polizeigewahrsam am Donnerstagabend gegen 18:30 Uhr – ohne formelle Anklage. Doch die Ermittlungen gehen weiter.
Castex zeigt sich gelassen
In einem Statement an die Nachrichtenagentur AFP erklärte Castex, er habe sich freiwillig den Fragen der Ermittler gestellt und „sich vollumfänglich kooperativ gezeigt“. Er betonte, dass es sich um Vorgänge aus den Jahren 2017 und 2018 handele – und er persönlich keinerlei wirtschaftliches Interesse an der betroffenen Firma hatte.
„Die Frage ist: War die Unterstützung einer angeschlagenen Firma zur Sicherung von Arbeitsplätzen rechtlich sauber oder nicht?“ So brachte ein beteiligter Staatsanwalt das Kernproblem auf den Punkt.
Ein Mann der Region – mit nun juristischen Problemen
Castex war lange in den Pyrénées-Orientales politisch aktiv. Von 2008 bis 2020 amtierte er als Bürgermeister von Prades, von 2015 bis 2020 leitete er die Gemeindeverwaltung Conflent Canigou. Danach wechselte er als Premierminister nach Paris, wo er in der Hochphase der Corona-Pandemie das Krisenmanagement übernahm.
Sein politischer Werdegang war stets eng mit seiner Heimatregion verbunden – umso größer sind jetzt die Wellen, die diese Ermittlungen schlagen. Ob der Fall zu einer Anklage führt oder die Ermittler letztlich keinen Verstoß feststellen, bleibt abzuwarten.
Von C. Hatty
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