Tag & Nacht




Ein Schock ging durch die französische Medienlandschaft, als der rechtsextreme Blog „Réseau Libre“ eine Liste veröffentlichte – eine Liste, die 180 Journalisten, Anwälte und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens mit dem Tode bedrohte. „Eine Kugel in den Nacken“ wurde den Betroffenen versprochen. Dieser abscheuliche Aufruf, der die persönlichen Adressen der Zielpersonen enthielt, führte zu einer Welle von Anzeigen und entfachte eine Diskussion über die zunehmende Gewaltbereitschaft der extremen Rechten in Frankreich.

Eine gezielte Kampagne des Hasses

Die Veröffentlichung dieser Todesliste erfolgte kurz nach dem zweiten Wahlgang der französischen Parlamentswahlen. Auf der Liste standen unter anderem die linksgerichteten Politiker Manuel Bompard, Alexis Corbière, Rachel Keke und der Anwalt Yassine Bouzrou. Auch Journalisten von France Médias Monde, wozu auch France 24 gehört, fanden sich auf dieser Liste wieder. Diese reichten kollektiv Anzeige ein.

Was brachte diesen Skandal ins Rollen? Bereits während der Wahlkampfzeit rief der Blog zur „Eliminierung“ von Anwälten auf, die sich gegen den Rassemblement National positioniert hatten. Dies führte zu ersten Anzeigen und Ermittlungen wegen Morddrohungen und Cybermobbing. Doch die Eskalation war noch nicht am Ende.

Wer steckt hinter „Réseau Libre“?

„Réseau Libre“, ursprünglich unter dem Namen „Eurocalifat“ bekannt, präsentiert sich als patriotischer Blog und nutzt einen Server in Russland, um der französischen Justiz zu entgehen. Der Blog wird von Joël Michel Sambuis betrieben, einem rechtsextremen Aktivisten, der in Frankreich wegen Betrugs und illegalem Waffenbesitz verurteilt wurde. Seit 1998 lebt er in Russland und betreibt von dort aus mehrere islamfeindliche und rassistische Webseiten.

Jean-Yves Camus, ein Experte für politische Radikalität, beschreibt Sambuis als langjährigen Akteur in der rechtsextremen Szene. Bereits 2003 geriet er mit seinem neonazistischen Blog „SOS Racaille“ ins Visier der Behörden, in dem er damals ebenfalls zu Gewalt und Mord aufrief. Die Tatsache, dass Sambuis in Russland lebt, wirft Fragen auf – könnten solche Aktionen Teil einer hybriden Kriegsführung Russlands gegen Frankreich sein?

Ein Zeichen setzen gegen den Hass

Nach Bekanntwerden der Todesliste wurde der Zugang zu „Réseau Libre“ aus Europa blockiert. Doch die Bedrohung bleibt real. Die Journalisten von France Médias Monde und andere Betroffene haben nun Klage wegen Morddrohungen eingereicht. Joseph Breham, Anwalt und Mitkläger, beschreibt die Erschütterung der Betroffenen angesichts der offenen Gewaltaufrufe der selbsternannten „Patrioten“.

Eine weitere Sammelklage wurde vom Anwaltsbüro Brengarth & Bourdon eingereicht. Und auch Einzelklagen wie die der Umweltaktivistin Camille Étienne zeigen: Das Netz der Betroffenen wehrt sich.

Die Realität der extremen Rechten

Drohnachrichten und Todeslisten – Methoden, die tief in der Strategie der extremen Rechten verankert sind. Jean-Yves Camus betont, dass solche Aktionen typisch sind für diese Gruppe, die schon seit Jahrzehnten eine digitale Präsenz aufgebaut hat. Bereits Ende der 90er Jahre war die rechtsextreme Szene online aktiv und nutzte das Internet für Bedrohungen und Einschüchterungen.

Ein bekannter Fall zeigt, wie real die Bedrohung werden kann: Am 14. Juli 2002 versuchte der Neonazi Maxime Brunerie, den damaligen Präsidenten Jacques Chirac zu ermorden – angestachelt durch Aufrufe auf der Webseite „SOS Racaille“.

Ein Klima der Angst und Gewalt

Erwan Lecoeur, Soziologe und Politologe, beobachtet einen deutlichen Anstieg der Gewalt von rechtsextremen Gruppen. Diese Angriffe richten sich gegen Linke, Umweltaktivisten und Feministinnen. Die sozialen Medien bieten diesen Gruppen eine Plattform, um sich zu organisieren und gezielt Gewalt auszuüben.

Nach dem Erfolg des Rassemblement National bei den Europawahlen am 9. Juni kam es vermehrt zu gewaltsamen Aktionen der Nationalisten. Diese neue Welle der Gewalt lässt sich durch ein Gefühl der Straflosigkeit und der Hoffnung auf die Erlangung der politischen Macht erklären. Lecoeur warnt, dass ein Wahlsieg von Marine Le Pen als Freifahrtschein für weitere Gewalttaten verstanden werden könnte.

Der Kampf gegen die rechte Bedrohung

Diese Entwicklungen rufen zu verstärktem Handeln auf – sowohl politisch als auch gesellschaftlich. Die Bedrohungen sind real und die Gefahr einer Eskalation hoch. Der Kampf gegen diese extremistischen Kräfte erfordert Entschlossenheit und Solidarität.

Was können wir tun? Die Antwort liegt in der Stärkung der Demokratie, im Schutz der Pressefreiheit und in der konsequenten Verfolgung von Hassverbrechen. Nur so können wir dem Hass und der Gewalt Einhalt gebieten und eine freie, gerechte Gesellschaft bewahren.

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