Tag & Nacht

Die globale Erwärmung war eines der Themen der grossen TV-Debatte zwischen Macron und Le Pen. Die Experten begrüßten, dass die Kandidaten sich zu diesem Thema äußern mussten, wenn auch viel zu kurz.

19 Minuten: Das ist die Zeit, die während der 2 Stunden und 50 Minuten dauernden Debatte zwischen Marine Le Pen und Emmanuel Macron am Mittwoch, dem 20. April, für die globale Erwärmung aufgewendet wurde. Diese Sequenz, die nur etwa 11% der Diskussion ausmachte, wurde von Umweltverbänden, aber auch von den Wissenschaftlern des IPCC, die dieses Jahr zwei wichtige Berichte zur Klimakrise vorgelegt haben, mit Spannung erwartet.

„Meine erste Reaktion war, dass das Thema glücklicherweise auf der Themenliste stand“, bezeugt Wolfgang Cramer, Forschungsleiter am Mittelmeerinstitut für Biodiversität und marine und kontinentale Ökologie (Imbe) und Mitautor des zweiten Teils des letzten IPCC-Berichts. Der deutsche Forscher, der in Frankreich lebt, dort aber nicht wählen darf, stellt jedoch bedauernd fest, dass „keiner der Kandidaten die klimatische Dringlichkeit wirklich anerkennt“. „Die Notwendigkeit zu handeln ist heute viel größer, und das kam in ihren Reden nicht zum Ausdruck“, bedauert der Wissenschaftler.

„Es wurden keine zusätzlichen Maßnahmen angekündigt“.
Diese Enttäuschung wird von Anne Bringault, Programmkoordinatorin des Climate Action Network (CAN), geteilt. „Es wurden keine zusätzlichen Maßnahmen angekündigt, obwohl das Programm von Emmanuel Macron bei weitem nicht ausreicht, um das Pariser Abkommen einzuhalten, und das Programm von Marine Le Pen enthält regelrecht klimaschädliche Maßnahmen, wie die Senkung der Mehrwertsteuer auf Kraftstoffe“, erläutert die Klimawissenschaftlerin. Nach Ansicht des CAN sollten derartige Maßnahmen zeitlich begrenzt und den am stärksten benachteiligten Haushalten vorbehalten bleiben und auf alle Fälle von Alternativen begleitet werden, um den Autofahrern umweltfreundlichere Lösungen anzubieten.

Für Yamina Saheb, Ökonomin und Mitautorin des dritten Teils des jüngsten IPCC-Berichts, stehen die von Marine Le Pen vorgeschlagenen Maßnahmen, insbesondere der Abbau von Windkraftanlagen, „im Widerspruch zu den Schlussfolgerungen des IPCC“.

„Marine Le Pen spricht in Bezug auf die Politik von Emmanuel Macron von schädlicher Ökologie, aber was schädlich ist, ist die Untätigkeit. Insbesondere für die Ärmsten der Armen, die sie angeblich verteidigt.“ (Yamina Saheb, Mitautorin des dritten Teils des letzten IPCC-Berichts gegenüber Franceinfo)

Im Gegensatz dazu sehen die Wissenschaftler bei Emmanuel Macron einige gute Grundzüge, aber man müsse die Umsetzung abwarten, meinen Wissenschaftler, die sein Versprechen, den oder die nächste(n) Premierminister*in mit der ökologischen Umsetzung zu beauftragen, positiv bewerten.

Eine auf Strom beschränkte Debatte
Experten bedauern, dass die Umweltfrage in der Debatte wieder einmal auf eine Debatte „für oder gegen Atomkraft und Windräder“ eingeschränkt wurde. Das wird als sehr schade empfunden, denn der größte CO2-Emittent in Frankreich ist der Verkehrssektor. Es ist wichtig, eine Debatte über Veränderungen in der Automobilindustrie, der Eisenbahn und im öffentlichen Verkehr zu führen. Diese Meinung teilte auch der Klimatologe Christophe Cassou, Mitautor des ersten Teils des letzten IPCC-Berichts, der den Austausch der beiden Kandidaten in dieser Hinsicht „ziemlich betrüblich und erbärmlich“ fand. Er bedauert, dass die Kandidaten sich in einer „karikaturistischen“ Debatte über Strom verfangen haben, ohne über die „wahren Herausforderungen“ zu sprechen.

„Ich hätte mir gewünscht, dass sie über die Erhaltung des Lebens gesprochen hätten. Die biologische Vielfalt und das Klima sind zwei Seiten derselben Medaille. Die Erhaltung der Ökosysteme ist ein Trumpf, um sich anzupassen und die Erwärmung zu begrenzen.“ (Christophe Cassou, Klimatologe gegenüber Franceinfo)

Klar ist: Um unsere Volkswirtschaften zu dekarbonisieren, bedarf es eines systemischen Wandels, und keiner der beiden Präsidentschafts-Kandidaten hat das so gesagt.


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