Tag & Nacht




Ein gezielter russischer Angriff auf ein Energiezentrum in Kherson hat am 1. April 45.000 Menschen von der Stromversorgung abgeschnitten – eine bittere Erinnerung daran, wie verwundbar zivile Infrastrukturen inmitten des Krieges sind. Die südukrainische Stadt, einst pulsierendes Handelszentrum, wurde erneut zum Schauplatz militärischer Gewalt.

Andriï Sybiga, einer der führenden Diplomaten der Ukraine, sprach von einer klaren Verletzung einer vor Kurzem vereinbarten Teilwaffenruhe. Diese war nach Vermittlungsversuchen der USA ins Spiel gebracht worden – ein vorsichtiger Hoffnungsschimmer, der nun offenbar von den Realitäten des Krieges überrollt wurde.

Während in Kherson Notstromaggregate surren und die Menschen versuchen, ihren Alltag irgendwie aufrechtzuerhalten, meldete Russland zur selben Zeit einen weiteren militärischen Erfolg. In der Region Donezk habe die russische Armee das Dorf Rozlyv eingenommen. Noch vor dem Krieg lebten dort rund 1.000 Menschen – heute dürften es deutlich weniger sein. Die Frontlinie schiebt sich langsam, aber stetig weiter in die Mitte des Landes. Rozlyv liegt nur wenige Kilometer von der Region Dnipropetrowsk entfernt.

Zwischen diplomatischen Notrufen und zermürbender Realität bleibt wenig Platz für Optimismus. Noch Ende März hatten die USA zwei Kommuniqués veröffentlicht, die einen vorläufigen Stopp der Angriffe auf Energieinfrastrukturen auf beiden Seiten vorsahen. Es war ein Versuch, das Leiden der Zivilbevölkerung wenigstens punktuell zu lindern. Doch das Abkommen blieb vage – keine festen Termine, keine klaren Bedingungen.

Und so werfen sich Russland und die Ukraine gegenseitig vor, das Abkommen gebrochen zu haben. In der Folge entstehen nicht nur neue Frontlinien aus Beton und Stacheldraht, sondern auch solche aus Misstrauen und Enttäuschung.

Was bedeutet das für die Menschen in Kherson? Kein Licht, keine Heizung, keine funktionierende Wasserpumpen – für 45.000 Seelen. Schulen, Krankenhäuser, Seniorenheime: Alle stehen vor immensen Herausforderungen. Während die internationale Gemeinschaft verhandelt, frieren und warten viele einfach nur darauf, dass die Lichter wieder angehen.

Wie lange noch soll dieses Spiel auf dem Rücken der Zivilisten gehen? Die Frage ist so alt wie der Krieg selbst – und sie bleibt offen.

Von C. Hatty

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