Tag & Nacht




Ich lebe seit vielen Jahren in Frankreich. Und wenn ich ehrlich bin: Noch nie war ich so froh darüber wie in diesen Tagen.

In Deutschland hat das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD nun ganz offiziell als rechtsextreme Bewegung eingestuft. Kein Verdacht mehr, kein Herumlavieren – eine klare Ansage. Und als jemand, der sein Herz immer noch halb in Deutschland trägt, macht mich das gleichermaßen wütend und traurig. Denn es bedeutet, dass das, was viele von uns schon lange gespürt haben, jetzt schwarz auf weiß bestätigt wurde: Diese Partei steht nicht mehr nur „am Rand“. Sie ist längst darüber hinaus.

In Frankreich beobachtet man das mit hochgezogenen Augenbrauen – und ein bisschen hämischem Unterton. Schließlich hat man hier mit dem Rassemblement National selbst genug zu tun. Doch während Marine Le Pen ihren Laden auf bürgerlich trimmt und sich vom ganz offenen Extremismus zumindest rhetorisch distanziert, kokettiert die AfD mit völkischen Parolen, Verschwörungstheorien und der Verachtung für demokratische Institutionen. Der Unterschied? In Deutschland geht es oft nicht nur um Symbolik. Da wird’s ernst.

Natürlich, ich habe noch Familie und Freunde in Deutschland. Und viele von ihnen sind tief verunsichert. Nicht, weil sie der AfD zustimmen würden – im Gegenteil. Sondern weil sie sich fragen, wie es so weit kommen konnte. Wie ein Land, das aus seiner Geschichte gelernt haben sollte, sehenden Auges in die nächste Katastrophe steuert. Haben wir zu lange weggeschaut? Zu viel hingenommen? Zu oft gesagt: „Ach, das wird schon nicht so schlimm“?

Ganz ehrlich – genau das ist der Punkt.

Diese Gleichgültigkeit hat uns dahin gebracht, wo wir heute stehen. Und nein, es hilft nichts, sich einzureden, dass „die da oben“ alle gleich sind. Diese Haltung ist nicht nur bequem – sie ist brandgefährlich. Denn sie verschafft genau jenen Auftrieb, die nicht auf Gleichheit, Freiheit und Menschlichkeit setzen, sondern auf Ausgrenzung, Hass und Rückwärtsgewandtheit.

In meiner französischen Wahlheimat diskutieren die Menschen viel über Identität, Säkularismus und Migration. Auch hitzig, auch kontrovers – aber es gibt eine Linie, die nicht überschritten wird. Wer offen den Nationalsozialismus verharmlost, wird gesellschaftlich geächtet. Wer Minderheiten pauschal diffamiert, hat keine Bühne. In Deutschland hingegen? Da wird Björn Höcke zur Galionsfigur. Ein Mann, der sich kaum Mühe gibt, seine Ideologie zu verschleiern.

Und genau da liegt das Problem: Die AfD ist nicht „nur“ eine Protestpartei. Sie ist längst ein politisches Projekt mit autoritären Zielen. Sie will nicht reformieren – sie will abschaffen. Und wer glaubt, das beträfe nur „die anderen“, irrt gewaltig. Wenn einmal der Damm bricht, gibt es kein sicheres Ufer mehr.

Klar, ich bin nicht ausgewandert, weil ich vor der AfD geflohen bin. Aber ich merke, wie sich mein Blick auf Deutschland verändert hat. Früher war da Stolz – auf ein Land, das aus Trümmern eine Demokratie gebaut hat. Heute ist da Sorge – um Freunde, um Familie, um die Gesellschaft, um das, was wir vielleicht gerade verlieren.

Und manchmal, wenn ich in einer kleinen französischen Bar sitze, bei einem Glas Rotwein, denke ich: Wie konnte es so weit kommen? Wie haben wir so viel Vertrauen verspielt?

Vielleicht ist jetzt der Punkt gekommen, an dem wir nicht mehr schweigen dürfen. Nicht mehr abwinken. Nicht mehr denken: „Die meinen doch nicht mich.“ Doch, sie meinen uns alle.

Und wenn wir unsere Stimme nicht erheben, dann werden andere sie für uns erheben – und das wird dann richtig hässlich.

Von C. Hatty

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