Was einst das stolze Aushängeschild der Vereinigten Staaten war, wird nun systematisch demontiert – die Universitäten, das Rückgrat intellektuellen Fortschritts, werden von innen heraus angegriffen. Nicht durch Haushaltskürzungen allein. Sondern durch etwas viel Gefährlicheres: die ideologisch motivierte Kontrolle über Denken, Forschung und Bildung.
Die Trump-Regierung führt mit eiskaltem Kalkül einen Kulturkampf gegen alles, was kritisch, differenziert und weltoffen ist. Und trifft dabei mit voller Wucht die Hochschulen – gerade jene, die den Ruf Amerikas als Wissenschaftsnation einst begründet haben. Harvard, Columbia, Princeton – sie alle stehen am Pranger. Fördermittel gestrichen, internationale Studierende verfolgt, kritische Diskurse kriminalisiert. Plötzlich scheint es nicht mehr erwünscht, Fragen zu stellen. Wo früher Debatten stattfanden, wird heute Denunziation gefördert.
Es ist, als würde man einen Leuchtturm mit Absicht löschen – und sich dann wundern, wenn man im Nebel der Ahnungslosigkeit auf Grund läuft.
Für die Vereinigten Staaten ist das ein intellektueller Suizid auf Raten. Für Europa – so paradox es klingen mag – birgt das jedoch eine historische Gelegenheit. Denn wo ein geistiges Vakuum entsteht, entsteht auch Raum für neue Ideen, neue Stimmen und neue Allianzen. Genau jetzt kann Europa zeigen, dass es nicht nur der politische, sondern auch der moralische und wissenschaftliche Gegenpol zu einer zerfallenden US-Bildungslandschaft ist.
Stell dir vor: Ein junger Klimaforscher aus Boston, eine brillante Neurologin aus Kalifornien oder ein exzellenter Philosoph aus New York – alle verlieren ihre Fördermittel, ihre Forschungsfreiheit oder schlicht die Möglichkeit, in Frieden zu arbeiten. Wohin werden sie sich wenden? Dorthin, wo man sie mit offenen Armen empfängt, wo ihre Expertise gefragt ist und wo man ihnen nicht vorschreibt, was sie denken dürfen.
Diese Chance darf Europa nicht verpassen.
Statt auf Abschottung, Bürokratie und halbherzige Programme zu setzen, muss der Kontinent jetzt ein klares Zeichen setzen: Die Zukunft des Wissens lebt hier. In Berlin, Paris, Amsterdam, Kopenhagen, Zürich – überall dort, wo Forschung noch frei ist und Denken nicht unter Verdacht steht. Europa kann zur Arche der Wissenschaft werden – ein sicherer Hafen für alle, die in den USA unter ideologischem Druck stehen.
Natürlich, das ist kein Selbstläufer. Es braucht Investitionen, Mut zur Reform und vor allem die Bereitschaft, sich gegen den Trend der akademischen Ökonomisierung zu stellen. Bildung darf kein Nebenprodukt der Wirtschaftspolitik sein – sondern ihr Fundament. Denn was nützen uns die besten Ingenieure, wenn niemand mehr fragt, warum wir etwas tun und nicht nur wie?
Der Bruch, den Amerika mit seiner Universitätstradition vollzieht, ist tief. Und er schmerzt. Nicht nur Amerikaner. Sondern jeden, der jemals an das Ideal geglaubt hat, dass Wissen frei, unabhängig und für alle zugänglich sein sollte. Doch aus diesem Schmerz kann auch Neues entstehen.
Wenn Europa bereit ist, mehr zu sein als ein Zuschauer. Wenn Europa sich erinnert, dass Aufklärung, Humanismus und Wissenschaft hier einst ihren Ursprung hatten – und dass sie hier auch eine Zukunft haben.
Denn eines ist sicher: Die klügsten Köpfe der Welt suchen nach einem Ort, an dem sie in Freiheit forschen können.
Warum also nicht hier?
Ein Kommentar von Andreas M. Brucker
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