Da sitzt er also. Hinter Gittern. Drei Wochen, allein mit sich, dem Lärm der Zellentüren und seinen Gedanken. Nicolas Sarkozy, einst mächtigster Mann Frankreichs – jetzt Gefangener, dann Schreiber, bald wieder im Rampenlicht. Mit „Le Journal d’un prisonnier“ legt er ein Buch vor, das nicht weniger will, als die Welt wissen zu lassen: Ich bin gefallen – aber nicht zerbrochen.
Was für ein Satz: „In der Haft gibt es nichts zu sehen, nichts zu tun.“ Und doch, genau daraus wird ein Buch. Ein politischer Text? Eine Abrechnung? Ein Versuch, Würde zurückzuerlangen in einer Situation, die von Scham, Ohnmacht und Stolz zugleich durchdrungen ist?
Sarkozy beschreibt den Knast wie ein Kloster ohne Mönche, voller Geräusche, voller Leere. „Das Innere wird stärker“, schreibt er. Man spürt: Das ist kein literarisches Spiel, das ist ein Aufbäumen – gegen die Schande, gegen das Urteil, gegen das Vergessen.
Und trotzdem: Man stolpert über die Kulisse.
Der Verlag? Fayard. Gesteuert von Vincent Bolloré, dem ultrakonservativen Medienmogul, der nicht nur Bücher verlegt, sondern Ideologien formt. Das Timing? Kurz nach der Haft, noch vor dem Berufungsverfahren. Die Botschaft? Klar: Sarkozy lässt sich nicht demontieren – er inszeniert sich neu.
Man darf das beeindruckend finden. Oder schamlos.
Denn vergessen wir nicht: Der Grund für seine Inhaftierung ist kein Kavaliersdelikt. Fünf Jahre Haft, 100.000 Euro Strafe – wegen bandenmäßiger Korruption, wegen verdeckter Millionen aus dem libyschen Gaddafi-Regime. Das Gericht urteilte: Sarkozy wusste, ließ gewähren, profitierte. Drei Wochen später sitzt er nicht mehr im Gefängnis, sondern am Schreibtisch – und verkauft seine Version der Wahrheit.
Was ist das eigentlich? Ein Memoiren-Schnellschuss? Eine politisch-moralische Verteidigung? Oder einfach das Protokoll eines Mannes, der im Dunkel seiner Zelle zum ersten Mal wirklich in den Spiegel geschaut hat?
Vielleicht ist es all das.
Vielleicht will Sarkozy sich selbst wiederfinden in diesem Buch – der Präsident, der Familienvater, der Getriebene, der Gefallene. Vielleicht sucht er Trost. Oder einfach einen neuen Weg zurück auf die Bühne.
Was bleibt, ist ein schales Gefühl. Denn ein Hauch von Buße reicht nicht, um den Schmutz der Vorwürfe abzuwaschen. Und doch – man liest, was er schreibt. Weil es uns etwas angeht. Weil es Frankreich betrifft. Weil es Geschichte ist.
Sarkozy stellt sich als Gefangener dar, aber er bleibt ein Akteur. Er schweigt nicht, er schreibt. Und das allein zeigt: Sein Kampf ist nicht vorbei. Ob das Buch ein Aufschrei ist – oder nur ein Vorhang für den nächsten Akt – das werden wir noch sehen.
Ein Kommentar von C. Hatty
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